Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
ist alles wieder gut.« Sie ließ ihn los. »Lass dich anschauen. Warum habe ich das Gefühl, du wärst drei Zentimeter gewachsen?«
Er sah sie an und berührte ihr Gesicht, nicht fähig, seine Gefühle auszudrücken. Stattdessen fragte er: »Wo warst du? Hast du mir etwas mitgebracht?«
Bette lächelte. »Dort gab es nichts, was ich dir hätte mitbringen können. Aber weißt du, ich habe dich und Lumpy so sehr vermisst, dass ich Bilder von euch gemalt habe.«
»Wo sind die?«, fragte er gespannt.
Bette tippte sich an den Kopf. »Da oben, wo sie keiner wegnehmen kann. Wenn wir wieder nach Hause gehen, male ich sie für dich auf Papier. Und Lumpy bekommt die schönste, strahlendste blaue Farbe, die du je gesehen hast.«
Philip schaute auf sein ausgeblichenes, ramponiertes Kuscheltier, das wieder einmal geflickt worden war, und nickte. »Okay. Lumpy war krank. Aber jetzt geht es ihm besser.«
Bette fuhr mit der Hand durch seinen Schopf. »Da bin ich aber froh.« Doch als sie in ihre Baracke gingen, um dort auf Marjorie und Evelyn zu warten, war Bette besorgter denn je. Philip war nicht nur dünner geworden, seine Haut und seine Augen hatten einen leicht gelblichen Ton angenommen. Er litt an Gelbsucht. Irgendwie musste sie besseres Essen und Chinin für ihn beschaffen. Ihr graute davor, wieder für die schreckliche Hannah zu arbeiten.
Als Bette bemerkte, dass etwas von ihrem gehorteten Reis fehlte, hatte sie einen neuen Einfall.
»Ratten«, sagte sie traurig zu Marjorie. »Die kleinen Fieslinge haben sich durch die Box gefressen. Ich hätte versuchen sollen, eine Dose aufzutreiben.«
»Die haben bestimmt auch Hunger«, meinte Marjorie.
»Hmmm. Ich glaube, ich hab da eine Idee«, murmelte Bette. »Ich muss den letzten Reis für eine Falle verwenden.«
»Ratten kann man nicht überlisten«, meinte Evelyn.
Aber Bette versteifte sich auf ihren Plan, einige der im Lager herumstreunenden Nager zu fangen. Sie zeichnete eine Skizze in den Sand und setzte Marjorie und Philip darauf an, die benötigten Materialien zu besorgen. Etwa eine Woche später hatte sie eine Box aus Holz und Maschendraht, einem Stück Netzgewebe, einer Spiralfeder und einer Art Blechverschluss als Fallentür gebastelt. Sie ölte das Ganze mit Fett aus der Küche und legte den Köder hinein.
»Sie geht rein, und dann schnappt diese kleine Tür zu. Eine einfache Mausfalle«, erklärte sie stolz.
Die anderen blickten skeptisch, meinten aber, man könne die Falle ja mal aufstellen und sehen, was passierte.
Philip konnte vor Aufregung kaum schlafen. »Hören wir es, wenn sie in die Falle geht? Und was machen wir dann mit ihr?«, fragte er.
»Mal sehen«, erwiderte Bette vage. Sie würde Philip nicht erzählen, dass sie den Fang verzehren würden. Sie schloss die Augen. War es wirklich schon so weit gekommen? Freute sie sich tatsächlich darauf, eine Ratte zu essen?
Am nächsten Morgen stand Philip ganz früh auf. Er rannte, um nach der Falle zu sehen, und kam mit enttäuschter Miene zurück.
»Mach dir nichts draus. Vielleicht morgen«, tröstete ihn Bette. »Jetzt ab mit dir zu Marjorie. Sie nimmt dich zum Weben mit.«
»Was ist das?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
»Das siehst du dann schon. Vielleicht kannst du ihr helfen«, lächelte Bette.
Marjorie und einige der älteren Kinder wollten unbedingt Weihnachtsgeschenke für ihre Mütter basteln. Stunden um Stunden hatte Marjorie damit verbracht, alte Jute- und Leinensäcke aufzutrennen. Stoffstücke, kaputte Kleider und auch getrocknetes Bambusrohr wurden in Streifen geschnitten; einfach alles, was sich um ein geschnitztes Schiffchen wickeln ließ, wurde verwendet. Den Webstuhl hatten sie aus einem wertvollen Stück Pappkarton gefertigt, der an den Seiten eingekerbt war. Gloria, die ehemalige Oberschwester, hatte früher gerne gewebt und Marjorie gezeigt, wie man den Zwirn richtig spannte und interessante Strukturen schuf. Der gewebte Stoff musste nur noch an drei Seiten zugenäht werden, und schon hatte man eine Art Handtasche. Geflochtene Stoffstreifen bildeten die Träger der Tasche. Es war eine langwierige und aufwendige Arbeit, aber sie widmeten sich ihr mit Feuereifer.
Am nächsten Morgen weckte Evelyn Bette in aller Frühe.
»Ich glaube, da ist etwas in deiner Falle. Sie bewegt sich, und ich habe ein Pochen gehört, aber ich trau mich nicht nachzusehen. Bis jetzt ist außer uns noch niemand auf. Was machen wir?«
Bette stieg behutsam aus dem Bett, um den schlafenden Philip
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