Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
noch nichts gehört – vielleicht will sie ja gar nichts von uns wissen. Aber du hast recht, natürlich kann ich nicht sieben Monate bei Adam und Heather bleiben, nur jetzt muss ich sofort hin.«
Julie freute sich, dass ihre Mutter so glücklich über die Neuigkeiten ihres Bruders und ihrer Schwägerin war. Und ihre Begeisterung blieb Christopher nicht verborgen.
Es freut mich sehr, dass Du bald Tante wirst. Ich wette, Du wirst die weltbeste Tante aller Zeiten sein. Mir gefällt, was ich über Deine Familie erfahre, und ich weiß, dass Bette Dich ins Herz schließen wird, wenn sie Dich erst kennenlernt, ganz egal, was in der Vergangenheit vorgefallen ist. Gespannt warte ich auf die nächste Folge dieser spannenden Geschichte. Verglichen mit Deinem Leben kommt mir meins ziemlich öde vor! Und ich muss zugeben, dass ich Dich vermisse. Chris x
Kapitel 11
Brisbane, 2009
J ulie wunderte sich, wie rasch sie wieder in ihr altes Leben zurückfand und wie absurd und frustrierend es ihr plötzlich erschien. Zu Hause war sie jedenfalls nur selten. Zweimal fuhr sie nach Melbourne und unterstützte die Eröffnung einer neuen Firma, sie schrieb Berichte und kümmerte sich ein bisschen um ihren Vater, während ihre Mutter in Adelaide war. Es blieb ihr einfach keine Zeit, um sich mal zu entspannen und den Kopf frei zu bekommen.
Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie sie über das Ritual im Langhaus nach dem Abendessen nachdachte, wenn alle still auf ihren Matten saßen, die Mütter sangen oder leise mit den Kindern sprachen, die Männer ihre Pfeife rauchten, ins Feuer blickten und dabei über die Ereignisse des Tages redeten, während die Mädchen und Frauen beim Licht der Laternen und des Feuers webten. Wenn die Nachttiere im Dschungel auf Futtersuche gingen, schliefen die Iban schon. Um diese Zeit kam Julie in Australien erst nach Hause und überlegte, was sie sich schnell zum Abendessen aufwärmen konnte, ehe sie sich an den Computer setzte und ihre E-Mails las.
Als sie eines Abends mit dem Zug heimfahren musste, dachte sie an den Sundowner, der auf der Veranda von Utopia serviert wurde, während dank der hochgezogenen Bambusrouleaus kühle Nachtluft hereinströmte und köstliche Düfte aus der Küche drangen. Bei den Mahlzeiten im Haus ihrer Cousins saß man entspannt beisammen, wurde diskret von den alten Bediensteten umsorgt und aß von Silber und Porzellan, das noch aus Eugenes und Charlottes Zeit stammte. Die Gäste waren immer interessant und weltläufig, die Gespräche stets anregend.
Auch an Christopher dachte sie – wie gut er in den Kreis gepasst hatte und wie unaufdringlich er gewesen war. Mit ihm zusammen zu sein war schön gewesen. Hätte sie ihm doch nur von Anfang an mehr Aufmerksamkeit geschenkt! Jetzt fehlte er ihr, und sie hätte ihn gern wiedergesehen.
Wie konnte sie es nur einrichten, nach Penang zurückzukehren? Ihren Urlaub hatte sie aufgebraucht, und beruflich war sie eingespannt, weil sie zwei neue Klienten hatte. Als ihr Vater anrief und sie zum Tee einlud, war ihr die Ablenkung höchst willkommen.
»Eigentlich zum Abendessen. Ich habe eine richtig gute Hühnersuppe gekocht. Und es ist ein Brief gekommen, der dich auch interessieren dürfte. Er ist an deine Mutter adressiert, aber wenn wir sie anrufen, sagt sie bestimmt, wir sollen ihn aufmachen und lesen.«
Julie hielt den Atem an. »Bette? Ist er aus Cairns?«
»Ja. So wie es sich anfühlt, nur eine Karte.«
Als Julie ins Haus ihrer Eltern kam, griff sie sofort nach dem hellblauen Umschlag und schlitzte ihn mit dem Brieföffner ihres Vaters auf. Auf der blauen Karte darin standen wenige, mit tiefblauer Tinte geschriebene Zeilen.
Liebe Caroline,
das nenne ich eine Überraschung! Es freut mich sehr, nach all den Jahren von Dir zu hören. Ich kann mich sehr gut an Dich als kleines Kind erinnern, und ich freue mich zu erfahren, dass Du jetzt selbst eine Tochter hast.
Sehr gern würde ich Euch kennenlernen oder mit Euch sprechen, wenn es sich zeitlich einrichten lässt. Ich dilettiere immer noch mit meiner Malerei und mache gerade ein paar Aquarelle für eine Ausstellung fertig, aber nächsten Monat habe ich ein wenig Freizeit. Ich freue mich darauf, von Euch zu hören.
Herzlich
Deine Tante Bette
»Donnerwetter, sie malt immer noch. Dilettiert. Wie süß«, sagte Julie.
»Ihr müsst also nicht überstürzt nach Cairns aufbrechen«, meinte ihr Vater. »Hört sich an, als wäre sie munter und gut in Form.«
»Ob sie wohl noch Blumen
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