Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
erst in Europa. Die meisten Leute warten, bis sie ein oder zwei Kinder haben, bevor sie die lange Reise in die alte Heimat antreten.« Sein Ton klang entschieden.
Zwar schwieg Margaret, als Roland die kleine Tür der Kapelle öffnete und sie hineinbat. Aber sie hielt es für eine recht gute Idee, einmal nach England zu fahren, um seine Mutter kennenzulernen. Und sie war sich sicher, dass sie ihn irgendwann auch dazu überreden konnte.
Binnen zwei Wochen hatte sich Margaret an den Tagesablauf auf der Plantage gewöhnt. Mittlerweile führte sie den Haushalt wie ein kleines Lehensgut, als hätte sie ihr Lebtag nichts anderes getan.
Roland schlüpfte immer schon vor Tagesanbruch aus dem Bett, um den Appell der Arbeiter abzunehmen, und ließ sie schlafen, bis Ah Kit an die Tür klopfte und ihr ein Tablett mit einer Kanne Tee und einer Scheibe Brot und Butter servierte. Während Margaret ihren Tee trank, wurde heißes Wasser gebracht und in den Tonkrug gegossen, damit sie sich waschen konnte. In dem heißen und schwülen Klima wechselte sie mehrmals täglich ihre Kleidung, doch wie sie feststellte, wurde alles, was sie fallen ließ, aufgehoben und am nächsten Morgen frisch gewaschen und gebügelt zurückgebracht.
Wenn Roland im Lauf des Vormittags zurückkam, empfing ihn ein warmes Frühstück, bestehend aus Toast, Eiern, Räucherfisch oder Kedgeree – einem Gericht aus Fisch, Eiern und Reis – und Obst. Danach badete er, zog sich um und machte sich erneut an die Arbeit. Gegen Mittag erschien er dann wieder, worauf die beiden zusammen mit Rolands Vater einen dreigängigen Lunch im Esszimmer des Herrenhauses einnahmen. Margaret achtete genau darauf, was serviert wurde, um sich von ihrem Koch ähnliche Gerichte zubereiten zu lassen: Chicken à la King, Rindfleisch-Nieren-Pudding, Mulligatawny-Suppe. Gelegentlich gesellte sich ein durchreisender Besucher zu ihnen, und eines Tages konnte sie zu ihrer Freude Dr. Hamilton begrüßen, der auf seinem Weg ins Landesinnere einen Abstecher zu Eugene gemacht hatte.
»Haben Sie etwas von Ihrer reizenden Mutter gehört?«, erkundigte sich der Arzt. »Wir haben uns in Kuala Lumpur prächtig amüsiert, während ihr in Fraser’s Hill wart. Es ist nur bedauerlich, dass ich mich nicht von ihr verabschieden konnte. Wir hatten einen Notfall im Krankenhaus, wenn ich mich recht entsinne.«
»Mutter gewöhnt sich gerade zu Hause wieder ein und lässt Sie herzlich grüßen«, sagte Margaret.
»Und wie gewöhnen Sie sich ein, meine Liebe?«, fragte der freundliche Arzt.
»Es ist alles wunderbar. Ich werde richtig verwöhnt. Und ich übe mich in Haushaltsführung und anderen Aufgaben«, erwiderte sie.
»Ein Tipp: Treten Sie Hausdienern nicht auf den Schlips, ihnen ist es am liebsten, wenn alles beim Alten bleibt«, riet der Arzt. »Aber Sie dürfen den Leuten auch nicht das Gefühl geben, dass sie ungestraft Ihre Vorratskammer plündern dürfen. Ein bisschen Nachsicht in Ehren, und dann und wann kann man auch mal fünfe grad sein lassen, das empfinden die Leute nur als recht und billig. Aber wenn sie das Gefühl haben, sie können einen hintergehen, dann tun sie es auch.«
»Oh, das hat Roland mir schon beigebracht, und ich habe nicht die Absicht, die Zügel schleifen zu lassen«, erklärte Margaret entschlossen, woraufhin der Arzt ihr auf die Schulter klopfte.
»Recht so. Sie werden sich hier bestens einleben. Und ich freue mich schon auf unser Tennisturnier. Ist natürlich nur zum Vergnügen, aber die Bande hier nimmt das alles wahnsinnig ernst. Ich mache den Schiedsrichter.«
»Das ist bei den Stevensons, nicht?«, fragte Margaret.
»Genau. Die haben dort eine hübsche Anlage. Ein hervorragender Court. Zwei Wochen nach eurem kleinen Bootsabenteuer, wie ich gehört habe. Tut mir leid, dass ich nicht dabei sein kann, ich muss meine Tour durch den Distrikt machen, wissen Sie.«
Liebste Mutter,
zu meinem Erstaunen vergehen die Wochen wie im Fluge, dabei hätte ich gedacht, dass die Zeit hier mit lähmender Langsamkeit dahinschleicht. Von wegen! Anders als in meinem letzten Brief habe ich jetzt das Gefühl, mich in unserem Bungalow eingelebt zu haben. Mein ganzes Gepäck ist nun auch eingetroffen, so dass ich mich inzwischen, mit meinen Sachen um mich herum, heimeliger fühle.
Roland und sein Vater mussten eine Kautschuksendung für Singapur fertig machen, aber wir schaffen es trotzdem immer noch, die beste Zeit des Tages gemeinsam zu verbringen: Bei Sonnenuntergang sitzen wir
Weitere Kostenlose Bücher