Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
du verstehst dich mit deinen Cousins, aber vergiss nicht, dass sie ein ganz anderes Leben führen als wir.«
»Stimmt. Doch ich möchte einfach mehr über unsere Verwandten in Malaysia erfahren. Und es wäre schön, wenn sie mir etwas über Gran und Bette erzählen könnten. Seid ihr denn nicht neugierig?«
»Nicht genug, um auf der Stelle nach Malaysia zu fliegen«, entgegnete ihr Vater. »Aber wir sind gespannt, was du rausfindest. Pass auf dich auf und geh keine Risiken ein.«
»Ach, Dad, mir passiert schon nichts. Oje, ich muss an Bord gehen. Sobald wir gelandet sind, schicke ich euch eine SMS. Hab euch lieb.« Rasch küsste sie ihre Eltern und ging durch die Absperrung.
Das Hotel, in dem Julie übernachten wollte, hatte einen Wagen geschickt, der sie abholte. Fast fühlte sie sich wie ein Promi, als sie die Menge der Touristen am Flughafen hinter sich ließ. Die Fahrt zum Hotel dauerte eine ganze Weile, und sie betrachtete staunend die neue mehrspurige Stadtautobahn mit dem rauschenden Verkehr, die Wolkenkratzer und die Wohnsiedlungen, an denen sie vorbeikamen.
Kuala Lumpur schien fast nur aus neuen Wohnblöcken, Einkaufszentren, Grandhotels und turmhohen Bürohäusern zu bestehen. Hin und wieder erhaschte sie einen Blick auf farbenfrohe Viertel mit Geschäften, Märkten und Imbissständen, die zwischen den modernen Gebäuden aus Glas und Stahl überdauert hatten. Ohne diese Einsprengsel hätte sich Julie auch in jeder anderen Metropole der Welt befinden können.
Am frühen Abend wies ihr der Empfangschef des Hotels den Weg zu einem Straßenblock mit internationalen Restaurants. Sie entschied sich für ein indisches, aus dem es verlockend duftete und das sie an ein Spezialitätenlokal unweit ihrer Wohnung in Brisbane erinnerte.
Am nächsten Morgen rief sie in Utopia an und sprach mit Peter, der charmant und höflich reagierte.
»Willkommen. Wir freuen uns schon darauf, dich kennenzulernen. Passt es dir, wenn wir morgen nach Kuala Lumpur kommen und dich abholen?«
»Natürlich. Wenn es nicht zu viele Umstände macht. Ich freue mich schon, nach der großen Stadt etwas vom Land zu sehen.«
»Wir werden uns bemühen, dir unsere Gegend zu zeigen. Dann bis morgen um neun in deinem Hotel.«
Julie erkundete erst einmal die Gegend rund um das Hotel und stellte fest, dass sie sich in einem ziemlich edlen und entsprechend teuren Einkaufsviertel befand. An den Läden prangten die Namen von Topdesignern. Julie betrat eine edle Mall, in der es auf zwei Etagen ausschließlich exklusive Uhren gab, für die man mehrere tausend Dollar hinblättern musste. Türsteher in Livree, dicke Teppiche, Kronleuchter, Kunst an den Wänden, parfümierte Luft, Pflanzkästen mit Orchideen und Livemusik sorgten für eine Atmosphäre, wie sie sie zu Hause noch in keinem Einkaufszentrum erlebt hatte.
Dann entdeckte sie im Untergeschoss eine Gourmetabteilung und machte Fotos für ihre Mutter. Im Gastronomiebereich gab es Ledersofas, Spiegel, frische Blumen, gemütliche Sitzecken und mit Leinen und Silber gedeckte Tische. Schick gekleidete Kellner standen bereit, Bestellungen entgegenzunehmen. Gäste konnten zwischen einer schummrig beleuchteten Cocktailbar, einer Art japanischem Teehaus mit wunderschönen Kellnerinnen in Kimonos, einem indischen Restaurant mit einem stattlichen Sikh in goldbetresster Uniform als Türsteher, einer Schweizer Almhütte und einem chinesischen Gartenlokal wählen.
Julie entschied sich für das Noodle House, das vergleichsweise günstige Preise hatte. Als sie an der langen Theke saß und die Einkaufslustigen und die Leute beobachtete, die sich hier zum Essen trafen, fühlte sie sich wie in einem Club. Später am Nachmittag erforschte sie, mit einer Touristenkarte ausgerüstet, andere Teile der Stadt, bis sie zu müde war, um auch noch einen einzigen Schritt zu tun. Als sie im Taxi zum Hotel zurückfuhr, fühlte sie sich schier erschlagen von der Flut der erstaunlichen Eindrücke in einer Stadt, die mit wachsender Geschwindigkeit himmelwärts strebte.
Julie fiel ein, dass sie gar nicht wusste, wie ihre Cousins aussahen. Doch als sie mit ihrer Reisetasche in der Lobby stand, erkannte sie Shane und Peter, sobald sie durch die Drehtür kamen. Die beiden Brüder waren schlank und hatten dunkelbraunes Haar, einer mit Locken, dem anderen fiel es glatt in die Stirn. Beide trugen weiße Hemden mit kurzen Ärmeln und offenem Kragen, die in gut geschnittenen Freizeithosen steckten. Sogar aus der Ferne sah Julie,
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