Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
dachte sich, dass ihr nach all den Erlebnissen im Dschungel ein Inselurlaub ganz guttun würde.
»Nördlich von Penang, an der Grenze zu Thailand, liegt ein Archipel mit der Hauptinsel Langkawi. Dort gibt es Regenwald, Urlaubsorte und ein paar nette Speiselokale.«
»Und man kann wunderbar baden«, ergänzte Martine.
»Wir wollten uns für ein paar Tage eine Unterkunft in einem der Urlaubsorte mieten, wo die Häuser in der traditionellen malaiischen Weise gebaut sind«, erklärte Shane und fügte noch hinzu: »Aber sie sind ganz komfortabel ausgestattet.«
»Wir werden wohl so sieben oder acht Leute sein. Ich wünschte, meine Freundin wäre auch dabei«, bedauerte Peter. »Gehst du gern angeln, Julie? Wir können uns ein Boot mieten. Chris ist übrigens auch mit von der Partie. Du hast ihn schon kennengelernt – der Bursche von der Air Force. Ein leidenschaftlicher Angler. Und wenn du dich fit genug fühlst, können wir auch mal zu einem wunderschönen See auf der Nachbarinsel hinaufsteigen.«
»Ich gehe am liebsten baden und entspanne mich am Pool«, sagte Martine. »Es ist einfach traumhaft dort.«
»Klingt gut«, meinte Julie. »Ich gehe gern angeln, möchte mir aber auch die Gegend anschauen. Wer weiß, ob ich je wieder dorthin komme.«
Nach dem Abendessen führte Shane Julie in die große Bibliothek ihres Urgroßvaters. Während sie die mit glasigen Augen von den Wänden starrenden Tierköpfe zu ignorieren versuchte, öffnete er eine Schublade in dem mächtigen, mit Schnitzereien verzierten Schreibtisch. Er nahm eine gebundene Kladde heraus und reichte sie ihr.
»Das sind Rolands Erinnerungen. Ich dachte mir, du willst sie vielleicht lesen.«
»Wunderbar.« Sie befühlte das alte Notizbuch. »Ich glaube, ich hatte noch nie etwas in der Hand, was ihm gehört hat.«
»Es ist kein Tagebuch, sondern eher eine Art Zusammenfassung seiner Kriegserlebnisse. Für die Veröffentlichung war es nie bestimmt. Viele Männer, die im Krieg waren, haben eine Art Bericht über ihre damaligen Erfahrungen geschrieben«, erklärte Shane. »Bei manchen war es wohl die spannendste Zeit ihres Lebens. Was unseren Großvater betrifft, so verlief sein ganzes Leben ziemlich ereignisreich. Aber wenn man das liest, merkt man, dass er die Jahre, in denen er bei Sondereinsätzen hinter den Linien gekämpft hat, besonders genossen hat.«
»Ich bin schon sehr gespannt.« Julie warf einen Blick auf den handgeschriebenen, mit roter Tinte säuberlich unterstrichenen Titel, und nachdem Shane sie allein gelassen hatte, begann sie mit der Lektüre.
Hinter dem grünen Vorhang. Erinnerungen. Von Roland Elliott.
Rückblickend betrachtet, ist es erstaunlich, dass nicht mehr Menschen es kommen sahen. Krieg. Invasion. Aufstieg des Kommunismus. Späte Einsicht ist gewiss etwas Wunderbares. Wir dachten, wir seien wichtig für England, mussten uns aber eines Besseren belehren lassen. Für Whitehall gab es vordringlichere Angelegenheiten in Europa, und so wurden wir verraten. Als dann der Krieg gegen Japan endlich vorbei war, brach eine neue Zeit an, und nun herrscht keine entspannte Atmosphäre mehr in unserem Winkel der Erde. Das Leben auf der Plantage scheint seinen normalen Gang zu gehen, aber die Narben sind noch frisch. Jetzt wird mir klar, dass die friedlichen Tage der Vorkriegszeit unwiederbringlich dahin sind, und ob Malaya je wieder vereint werden kann, erscheint mir fraglich. Zu viele Rassen, Kulturen und Glaubensrichtungen und zu viel Verrat. Doch wie mein lieber Vater zu sagen pflegte: So ist’s von jeher schon gewesen.
Vor dem Krieg verbrachten wir unsere Tage ohne Sorgen. Dem Wort des weißen Mannes wurde ohne Widerrede gehorcht, wir hatten ein herrliches Leben und das Beste von allem, was es im In- und Ausland zu kaufen gab. Zu dem Gefühl, viele Privilegien zu genießen, kam auch die Freiheit, tun und lassen zu können, was wir wollten. In den Dörfern behandelte man uns als Ehrengäste und servierte uns Gerichte, die eine Familie einen Tag harte Arbeit oder sogar noch mehr kosteten. Und wir nahmen es an als etwas, das uns rechtmäßig zustand. Doch als der Krieg kam, als wir in den Augen der Eindringlinge nichts Besseres mehr waren als Kulis, als uns die Treue derer, auf die wir herabgeblickt hatten, zu Hilfe kam, uns Schutz oder Flucht ermöglichte, da ließen wir sie letzten Endes im Stich.
Natürlich hatte kaum jemand damit gerechnet, dass der Krieg gegen Japan uns in Malaya oder Borneo jemals tangieren würde. Das
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