Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
zwangsläufig erkennen, dass wir keine Chinesen waren. Ah Kit hielt dieses Problem jedoch für lösbar.
»Ich habe mir von chinesischen Freunden sagen lassen, wer von den malaiischen Schiffern an der Küste sich am leichtesten bestechen lässt. Und meine Freunde haben mir genug Geld gegeben, um dafür zu sorgen, dass keine Fragen gestellt werden und ihr sicher zum Treffpunkt gelangt.«
»Kommen Sie nicht mit?«, fragte ich.
»Nein, Captain Elliott, mich brauchen Sie dort nicht mehr.«
»Ich weiß nicht, wie wir Ihnen danken können«, sagte ich. »Ich verdanke Ihnen mein Leben. Und meine Kameraden wahrscheinlich auch.«
Ah Kit lächelte. »Wenn der Krieg vorbei ist und wir beide eine unterschiedliche Zukunft für Malaya anstreben, werden Sie sich hoffentlich daran erinnern.«
Roger und Bill schüttelten Ah Kit die Hand und bedankten sich ebenfalls.
»Ein großartiger Bursche«, meinte Roger, als Ah Kit gegangen war. »Ich frage mich, was er nach dem Krieg machen wird. Sie sind in Ordnung, diese chinesischen Kommunisten, und auch gute Kämpfer. Aber wenn der Krieg erst vorbei ist, werden es die Briten nicht leicht mit ihnen haben.«
Es war eine mondlose Nacht, als uns der Schiffer zu der Insel brachte. Während der Überfahrt stellten wir eine Funkverbindung zum Hauptquartier her und erfuhren, dass uns das U-Boot in der darauffolgenden Nacht abholen konnte. Und so geschah es dann auch. Wir fuhren zurück nach Ceylon und dann weiter nach Neu-Delhi, wo leider nur öde Schreibtischjobs auf uns warteten, da man uns nichts Aufregenderes mehr zumuten wollte.
»Ziemlich deprimierend, aber ich denke, wir haben unseren Teil geleistet«, meinte Bill.
Während wir noch in Neu-Delhi lebten, wurden die Atombomben auf Japan abgeworfen, und der Krieg ging zu Ende.
Bei meiner Rückkehr nach Utopia war ich nicht auf das Ausmaß der Zerstörung gefasst, das mich erwartete. Man hatte die Bäume gefällt und den Kampong mit den Hütten der Arbeiter niedergebrannt. Das Herrenhaus war in einem überraschend guten Zustand, weil es den Japanern als Verwaltungssitz gedient hatte, doch Margarets und meinen Bungalow hatte man weniger pfleglich behandelt. Die Möbel waren schwer beschädigt, der Garten verwüstet.
Einige Monate später kam auch meine Frau zurück, die das Kriegsende in Australien abgewartet hatte, und ich sah meinen Sohn Philip wieder, der während der Kriegsjahre zusammen mit meiner Schwägerin Bette in einem japanischen Lager in Sarawak interniert gewesen war.
Allmählich kehrten auch die Hausangestellten und die Plantagenarbeiter mit ihren Familien zurück, und ich konnte neue Kautschukbäume pflanzen. Ho, der den Krieg überlebt hatte, zeigte mir, wo er und Ah Kit meinen Vater begraben hatten. Ich bettete ihn auf den Kirchhof bei unserer kleinen Familienkapelle um.
»Es wird nie mehr so wie früher sein«, sagte Margaret eines Abends kurz nach unserer Rückkehr. »Die Partys, die Freunde, die Diener, der Lebensstil, der Luxus, den wir genossen haben. Dieses Leben ist endgültig vorbei.«
»Nicht unbedingt«, entgegnete ich. »Es mag ein anderes Leben sein, aber es kann noch besser werden. Und das wird es eines Tages auch.«
Hier endeten Rolands Lebenserinnerungen. Julie klappte das Heft ihres Großvaters zu und legte es beiseite. Völlig benommen saß sie da. Am liebsten hätte sie gleich ihre Mutter angerufen und gesagt: »Mein Gott, Großtante Bette und dein Bruder Philip waren während des Krieges in einem japanischen Kriegsgefangenenlager, und wir haben nichts davon gewusst! Warum hat Großmutter nie etwas davon erwähnt?« Es schien ihr völlig unbegreiflich.
Wie sie feststellte, waren ihre beiden Cousins noch auf, tranken Brandy und sahen sich ein Fußballspiel im Satellitenfernsehen an.
»Hallo, wir dachten, du wärst schon schlafen gegangen«, sagte Shane.
»Stimmt was nicht?«, fragte Peter. »Möchtest du auch was trinken?«
»Sehr gern. Danke. Ich hab gerade Großvaters Erinnerungen gelesen und kann es einfach nicht fassen.«
»Mach doch bitte mal leiser, Shane«, sagte Peter und stand auf, um Julie einen Gin Tonic zu holen.
»Was hat dich denn so geschockt?«, wollte Shane wissen.
»Am Ende seiner Erinnerungen erzählt Großvater, dass euer Vater und Großtante Bette in einem Internierungslager waren. Meine Mutter und ich hatten davon nicht die leiseste Ahnung. Wie ist das gekommen? Was war passiert? Ich kapiere einfach nicht, warum meine Großmutter nie ein Sterbenswörtchen davon gesagt
Weitere Kostenlose Bücher