Das Leuchten der Orchideen: Roman (German Edition)
hat.«
Die beiden jungen Männer starrten sie verblüfft an. »Du meinst allen Ernstes, ihr wusstet nichts von dem, was damals geschehen ist? Dad hat uns durchaus davon erzählt, aber er sagte immer, er sei damals noch ein kleines Kind gewesen und könne sich nur an weniges erinnern«, sagte Shane.
»Im Grunde hat er auch nicht gern darüber geredet«, fügte Peter hinzu.
»Aber er war dort mit seiner Tante, nicht mit seiner Mutter. Wie kam das? Das scheint mir doch ziemlich merkwürdig. Und wie lang waren sie inhaftiert? Bestimmt Jahre! Unsere Großmutter hat erzählt, dass sie die Kriegszeit in Brisbane verbracht hat … während ihr Sohn und ihre Schwester in Gefangenschaft waren!« Julie schüttelte den Kopf. »Und wisst ihr, ich glaube, auch meine Mutter hat keine Ahnung von alldem. Warum nur? Warum hat unsere Großmutter das so lange geheim gehalten?«
»Ich denke, im Krieg ergab sich manches einfach so«, meinte Shane. »Großvater hat erzählt, wie er sich im Dschungel verstecken musste und wie verrückt diese Jahre unter der japanischen Besatzung gewesen waren. Nein, wenn ich es mir recht überlege, hat er eigentlich gar nichts über den Krieg erzählt. Das meiste haben wir aus seinen Erinnerungen erfahren.«
»Großvater war ein sehr beherrschter und bescheidener Mensch«, erinnerte sich Peter.
»Wenn wir genauer wissen wollten, was er im Krieg gemacht hatte, hat er immer nur Unverfängliches erzählt«, sagte Shane.
»Etwa, wie er und sein Freund Bill sich als Kulis verkleideten – solche Sachen. In seiner Rückschau klang es wie ein Abenteuer für große Jungs. Wir waren schon erwachsen, als uns klarwurde, wie mutig er in Wirklichkeit gewesen sein muss«, ergänzte Peter.
»Bei Großvaters Beerdigung traten viele Leute vor und lobten ihn für seine Tapferkeit. Aber er selbst hat seinen Beitrag im Krieg immer heruntergespielt«, meinte Shane. »Es war Bill, der die Grabrede hielt und sagte, Roland hätte viel mehr Anerkennung verdient für das, was er hinter den feindlichen Linien geleistet hatte.«
»Da es sich um Spionageaktionen handelte, wurden sie größtenteils geheim gehalten und erst Jahre später öffentlich gemacht«, wusste Peter. »Und Großvater war sehr zurückhaltend. Er brüstete sich niemals mit diesen Kriegsgeschichten.«
»Wir haben Großvater beide bewundert, aber wir fanden ihn auch ein bisschen unnahbar und spießig in seiner altmodischen britischen Art«, erklärte Shane.
»Ich hätte ihn gerne kennengelernt«, meinte Julie. »Meine – unsere – Großmutter Margaret hat nie viel Persönliches über ihn erzählt. Und auch nicht, warum sie sich getrennt hatten. Mir kommt das alles ziemlich rätselhaft vor.«
»Na ja, wahrscheinlich war auch sie einfach nur ein Kind ihrer Zeit«, überlegte Peter. »Vielleicht konnte oder wollte Margaret ihre Gefühle ebenso wenig zeigen wie unser Großvater.«
»Und Großvater sagt in seinen Erinnerungen auch nichts darüber, wie und warum unser Vater in Gefangenschaft geraten ist«, fuhr Peter fort. »Er erklärt auch nirgendwo, wie Philip von seiner Mutter getrennt wurde. Allerdings muss ich gestehen, dass mich dieser Teil der Geschichte auch nicht sonderlich interessiert hat. Unser Vater war ja noch klein, und er sagte immer nur, er erinnere sich an kaum etwas und wir sollten Leuten wie Großvater einfach dankbar dafür sein, dass sie uns von den Japanern befreit haben.«
»Das ist ja alles schön und gut, aber ich bin trotzdem neugierig. Gibt es denn sonst keine Aufzeichnungen? Tagebücher? Habt ihr hier nichts mehr von unserer Großmutter?«, wollte Julie wissen.
Shane zuckte bedauernd die Achseln. »Nein, gar nichts.«
»Für einen kleinen Jungen muss es eine traumatische Zeit gewesen sein. Deshalb wollte euer Vater nicht darüber sprechen«, mutmaßte Julie. »Wie alt war er damals?«
»Drei oder so. Aber ich glaube, er ist dem Vorbild unseres Großvaters gefolgt und wollte nicht über den Krieg reden«, meinte Peter und blickte zu Shane, während sie beide grübelten, was ihnen ihr Vater sonst noch über den Krieg erzählt hatte.
»Stimmt. Aber er hatte doch diese Spielkameradin, Marjorie …«
»Mrs. Carter, genau!«, fiel Shane ein. »Sie waren damals zusammen in dem Lager. Er hat immer gesagt, sie sei für ihn wie eine große Schwester gewesen, die sich um ihn gekümmert hat – seine Kriegs-Amah.«
»Und sie war mit ihm im Lager?«, rief Julie aus. »Habt ihr sie gekannt?«
»Zu der Zeit hieß sie Marjorie
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