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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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niederkämpfen musste. Drüben bei den Hütten waren die Feuer
    weit heruntergebrannt, der würzige Geruch von verbranntem Holz und Fleisch lag
    in der Luft. Leise drang monotoner Gesang herüber. Zikaden zirpten, und die
    Blätter der Bäume knisterten leise. Aus Pauls Arbeitszimmer drang noch Licht.
    Wie schon so oft holte John die Nacht, in der Emma neben ihm unter dem Wagen
    gelegen hatte, in seine Erinnerung zurück. Wie sie ihren Kopf an seine Brust
    gepresst und wie er ihre Hand gehalten hatte ... Dieser Traum hatte seinen
    alten Albtraum verdrängt. Er sah hinauf in den Himmel. Als heller Lichtstrom
    floss dort oben die Milchstraße. Der Mond, eine schmale Sichel und so weit weg,
    strahlte heller und klarer als eben noch die Kerosinlampe auf seinem
    Schreibtisch. „Herr“, murmelte er, „ich bin deiner nicht würdig ...“
    Er warf
    einen letzten Blick hinüber zum Nachbarhaus, dann ging er wieder hinein und
    schloss die Tür. „Es erwartet mich viel Arbeit“, sagte er zu sich selbst. „Für
    die Menschen müssen Grundlagen geschaffen werden, damit sie überleben können,
    sie müssen irgendwann in der Lage sein können, sich selbst in der veränderten
    Welt zurechtzufinden! Sie müssen Englisch lernen, müssen die Werte der
    abendländischen Zivilisation übernehmen, natürlich auch die Religion, sie
    müssen von ihrer Vielweiberei ablassen und endlich verstehen, dass man arbeiten
    muss, damit man Essen und Kleidung verdient!“ Er merkte, dass er mit auf dem
    Rücken verschränkten Armen im Arbeitszimmer auf und ab ging, und er blieb augenblicklich beschämt
    stehen. Für wen hielt er eigentlich diese Ansprache?

7
    Seit ihrer Ankunft war Emma
    jeden Tag bei Sonnenaufgang aufgestanden. Amboora, die im Haus in einer kleinen
    Kammer schlief, war schon früher auf den Beinen. Feuer musste gemacht, Brotteig
    geknetet, Tee gekocht, Wäsche gewaschen und Wasser geholt werden. Die Ziegen
    mussten gemolken, die Arbeiterinnen eingeteilt, Putzarbeiten erledigt und
    Kinder und Kranke versorgt werden. Nur hin und wieder kam Emma die Bibel von
    Hermann Weiß in den Sinn. Ihr ausgefüllten Tage lenkten sie ab, bis sie
    plötzlich wieder daran erinnert wurde. Sie war gerade bei der jungen Mutter
    Mamuru und ihrem Baby, als sie das schnelle Geklapper von Pferdehufen hörte.
    Dann sah sie Paul drüben, bei Johns Männern, vom Pferd steigen. Er sagte etwas zu John und ging dann zur
    Kirche. Sie wandte sich wieder Mutter und Kind zu. Mamuru, die noch vor wenigen
    Tagen so schwach aus der Wüste gekommen war, hatte sich erholt und konnte ihr
    Kind besser ernähren. Emma gab ihr Ziegenmilch, die sie seit zwei Tagen nicht
    mehr verschmähte, und Brot. Auch die anderen Kinder im Lager, inzwischen war
    ihre Zahl auf mehr als zehn angewachsen, bekamen etwas Milch. Viel gaben die
    beiden Ziegen aber leider nicht her.
    Die Kinder spielten mit
    einem Metalldeckel, lachten und zeigten dabei ihre weißen Zähne. In ihnen liegt
    die Hoffnung, dachte Emma dann jedes Mal. John wollte nächste Woche mit dem
    Unterricht in der Schule beginnen, bis Isabel käme, wie er sagte. Sie blickte
    gerade zu John hinüber, als dieser sie bemerkte und lange in ihre Richtung sah.
    Jetzt fiel ihr auf, dass auch die anderen Männer aufgehört hatten zu arbeiten.
    Sie nahm die leere Kanne und ging auf sie zu. „Ist etwas passiert?“, rief sie
    schon von weitem. John wartete, bis sie bei ihm war. Seine Augenhöhlen schienen
    in den letzten Tagen noch tiefer und dunkler geworden zu sein. „Paul hat
    fünfzehn tote Rinder gefunden“, sagte er mit tonloser Stimme, „Es sind alles
    unsere.“ „Aber das sind ja fast alle, die wir hatten!“ Er nickte, wischte sich
    mit dem Handrücken über die verschwitzte Stirn und hinterließ eine staubige
    Spur. „Sind sie ... verdurstet oder verhungert?“, fragte sie. „Es sieht eher
    nach einer Krankheit oder Vergiftung aus.“

    All die Tiere, die die lange,
    beschwerliche Reise überstanden hatten, die sich den steilen Hang hinauf-und
    auf der anderen Seite wieder hinuntergequält hatten, waren tot? Emma spürte,
    wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Sie drehte sich zu den Hütten um. Dann
    wurde ihr bewusst, dass sie und John nicht allein waren. Doch er hatte ihren
    Blick verstanden und befahl den Männern, mit der Arbeit weiterzumachen.
    Widerwillig gehorchten sie. John entfernte sich ein paar Schritte, Emma folgte
    ihm. „Würde Wirinun so etwas tun?“, fragte sie. „Sie wissen, wenn die

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