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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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was er da
    drin mit ihm anstellt?“
    Nein, das wusste sie
    nicht, und natürlich fragte sie sich das auch. Aber sie hatte keine andere
    Wahl. Ich werde jetzt da hineingehen!“ Schon machte er einen großen Schritt auf
    die Tür zu, doch sie versperrte ihm den Weg. „Nein, John, das werden Sie
    nicht!“ Mit geballten Fäusten und zusammengepressten Lippen stand er ganz nah
    vor ihr, die Adern pochten an seinen Schläfen. Doch Emma wich nicht von der
    Stelle. „Das ist Gotteslästerei, Emma!“, sagte er, machte auf dem Absatz kehrt
    und ging schnell hinaus.
    Sie wusste nicht, wie
    viel Zeit verstrichen war. Es mussten Stunden gewesen sein, denn die Sonne
    stand bereits sehr tief, und ihre warmen Strahlen fielen durch die Fenster ins
    Haus. Wirinun stand in der geöffneten Schlafzimmertür, seine Augen hatten einen
    entrückten Ausdruck angenommen. Ohne Emma anzusehen, wankte er durch den Raum
    zur Haustür und ging hinaus. Ihr Herz klopfte bis zum Hals. Wovor hatte sie
    Angst? Vor dem Anblick eines blutverschmierten Bettes, vor zerrissenen Laken
    und zerstochenen Kissen? Davor, dass sie doch die falsche Entscheidung
    getroffen und Wirinun vertraut hatte?
    Zögernd ging sie ins
    Schlafzimmer. Paul hatte die Augen geschlossen und schlief. Seine Züge waren
    entspannt, sein Atem ging gleichmäßiger. Seine Hand fühlte sich warm, aber
    nicht mehr heiß an. „Danke, Herr“, murmelte sie erleichtert und sank auf die
    Bettkante. Ihr war zum Weinen zumute, aber es kam keine Träne. John stürzte
    herein. Zuerst starrte er Paul, dann Emma an. Da schlug Paul die Augen auf. Sie
    waren klar und hatten ihr fiebriges Glühen verloren. Sogar ein Lächeln glaubte
    Emma zu erkennen, dann schlief er wieder ein.
    John warf Emma noch
    einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte, dann ging er wortlos hinaus. Paul
    schlief den restlichen Tag und die ganze Nacht. Emma saß bei ihm, fühlte den
    Puls, der kräftiger wurde, sie horchte auf seinen regelmäßigen Atem und legte
    die Hand auf seine Stirn, die nicht mehr glühte. Was hatte Wirinun getan? Wie
    hatte er das Fieber bekämpft? Das konnte nur Gottes Werk sein. Er hatte ihr
    Wirinun geschickt. Ungeduldig wartete sie darauf, dass Paul aufwachte, um ihm
    von Gottes Wunder berichten zu können.
    Am darauffolgenden Nachmittag
    schlug Paul endlich wieder die Augen auf. Emma ließ ihm von Amboora eine Suppe
    bringen. „Wie lange habe ich hier gelegen?“, fragte er und gab Emma den leeren
    Teller zurück. „Zwei Tage.“ „Ich habe ein weißes Licht gesehen“, sagte er
    leise. „Ein weißes, wunderbares Licht ...“ Sein Blick verlor sich. „Aber Gott
    hat mich noch nicht ganz bei sich haben wollen.“ Sie nahm seine Hand und
    lächelte. Er lächelte auch. Da wusste sie, dass sich alles zum Guten wenden
    würde. Warum sonst hätte Gott dieses Wunder vollbracht?
    Als John nach Paul sehen
    wollte, schickte Emma ihn hinaus. Paul müsse sich ausruhen. Sie wollte nicht,
    dass die beiden Männer sich sahen. In dieser Nacht gönnte sie sich ein wenig
    Schlaf. Hin und wieder schreckte sie hoch, weil sie geträumt hatte, dass Paul
    fieberte und im Sterben lag, doch dann hörte sie seinen gleichmäßigen Atem und
    schlief wieder ein.

    John ging langsam durch
    das Kirchenschiff. Vor der Stufe zum Altar blieb er stehen, fiel auf die Knie,
    faltete die Hände und sah hinauf zum Holzkreuz. „Herr“, flüsterte er, „vergib
    mir, aber ich verstehe dich nicht. Wie kannst du es zulassen, dass ihre Götter
    über dich triumphieren? Es wird nicht mehr lange dauern, und sie werden dich
    verhöhnen, sie werden dein Kreuz wieder von der Wand reißen und auf dem Boden
    zerschmettern, sie werden deinen Namen mit Füßen treten ... und vielleicht
    werden sie auch uns töten, so wie unsere Vorgänger!“ Wut und Ohnmacht nahmen
    ihm den Atem. „Gib mir eine Antwort, Herr! Willst du mich auf die Probe
    stellen? Habe ich nicht schon genug mitgemacht? Habe ich nicht genug getan?
    Habe ich nicht genug verziehen? Kann ein Mensch überhaupt so viel verzeihen wie
    ich?“
    Sogleich schämte er sich
    für seine Worte. „Vergib mir, Herr! Vergib mir! Warum zeigst du mir nur deine
    Grausamkeit?“ Er schüttelte heftig den Kopf, als könne er so die auftauchenden
    Bilder aus seiner Erinnerung herausschleudern. „Herr! Bitte lass nicht zu, dass
    ich mich von dir abwende, gib mir ein Zeichen, gib uns allen ein Zeichen von
    deiner Herrlichkeit, von deiner Barmherzigkeit, von deiner ... deiner Liebe!“
    Seine

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