Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Worte hallten laut in der leeren Kirche. Durch die Fenster fielen die
letzten Strahlen der Sonne herein und ließen den Staub wie kleinste
Silbersandkörnchen tanzen. John wartete auf eine Antwort, aber er hörte nichts.
Nur das Gebell der weißen Hunde drang gedämpft herein. Er erhob sich und
verließ das Haus seines Gottes, der aufgehört hatte, mit ihm zu sprechen.
Das Geheimnis
1
Hatte Gott ihnen
tatsächlich eine neue Chance gegeben? Emma wagte kaum darüber nachzudenken.
Sollte ihr dieses Glück beschieden sein? Sollte nun endlich alles gut werden?
Paul war noch schwach, doch er stand auf und ging in die Kirche, um zu beten.
Emma beharrte darauf, dass er sich wieder ins Bett legte, was er sogar
widerspruchslos tat. Er hatte sich verändert, stellte sie fest. Hin und wieder
schenkte er ihr ein Lächeln, und wenn sie seine Hand nahm, hielt er sie fest.
„Ich weiß jetzt, Emma“, sagte er einmal, als sie ins Zimmer kam, um ihm einen
Tee zu bringen, „dass es richtig ist, hier zu sein.“ „Warum hast du nur je
daran gezweifelt?“ Er sah auf seine Hände, die er auf der Bettdecke gefaltet
hatte. Kräftige Hände voller Sommersprossen, die ihr gleich am Anfang gefallen
hatten. Sein Blick glitt zum Nachttisch, wo noch immer das Foto lag. Sie
wusste, woran er dachte. „Du hast Margarete nicht im Stich gelassen.“
Auf seiner Stirn
bildeten sich Falten. „Warum bist du so sicher?“ Sie versuchte zuversichtlich
zu lächeln. „Erinnerst du dich noch daran, wie wir über meine Brüder gesprochen
haben?“ „Ja. Du hast dich schuldig gefühlt, weil du sie nicht vor ihrem Tod
bewahren konntest.“ „Du hattest Recht. Und deine Aufgabe war es auch nicht,
deine Schwester ihr Leben lang zu beschützen.“ Er seufzte und nickte
nachdenklich. „Es ist manchmal schwer, eine Verantwortung abzugeben.“ „Ja.“ Sie
traute ihrem Glück noch nicht ganz. Zu viel war geschehen. Zu tief waren die
Wunden, die Paul ihr zugefügt hatte. „Du musst dich ausruhen, du bist sehr,
sehr krank gewesen. Nicht, dass es dir morgen wieder schlecht geht“, ermahnte
sie ihn und schüttelte sein Kissen auf. Er lächelte schwach. „Du hast Recht,
ich will vernünftig sein. Wo ist die Bibel?“ „Ich hole sie dir.“ Sie war
erleichtert, dass er nicht weiter über Margaretes Schicksal grübelte. Bevor
Wirinun gekommen war, hatte sie die Bibel, sie wusste nicht genau, warum,
vielleicht aus einer Art Instinkt heraus, in Pauls Arbeitszimmer gelegt,
sozusagen in Sicherheit gebracht.
Als sie mit dem Buch
zurückkam, sah sie ihn auf den Fußboden starren. Dort lag eine blaue Feder. Die
Feder muss von Wirinun stammen, dachte sie. Vielleicht hat sie unter dem Bett
gelegen und ist vom Luftzug hervorgeweht worden? Sie wollte sich schon bücken
und sie aufheben, aber sie hielt inne. Und wenn sie da liegen bleiben muss?
Vielleicht ist diese Feder Teil des Rituals, und sie liegt gar nicht zufällig
da? Paul war ihr Zögern nicht entgangen. „Warum hebst du sie nicht auf?“ Sie
schluckte. Was sollte sie ihm sagen? Sollte sie ihm alles erklären? Sie konnte
ihn doch nicht belügen ... Da erinnerte sie sich an seine Worte in Marree, als
sie den kranken Sam zu Dr. Brown gebracht hatten. Als Hokuspokus hatte er
dessen Geschichte bezeichnet. Und dann war er wochenlang nicht über Sams unerwarteten
Tod hinweggekommen. Wie würde er erst seine eigene wundersame Heilung auslegen?
„Oh“, sagte sie rasch und hob die Feder auf. „Sie muss von der
Bettdecke abgefallen sein. Ich hatte sie draußen zum Lüften. Hier, die Bibel.
Ich lass’ dich jetzt allein. Wenn du etwas möchtest, dann ruf mich!“ Sie
lächelte ihn an und ging hastig aus dem Zimmer. Später, als er wieder schlief,
schlich sie sich ins Zimmer und legte die Feder unter das Bett zurück.
Am Abend brachte sie ihm
auf einem Tablett eine Brotsuppe und Tee, setzte sich auf die Bettkante und sah
ihm zu, wie er hungrig aß. „Was ist da draußen los?“, fragte er. Durch das
Fenster drangen Feuerschein von den Hütten und fröhlich klingende Gesänge. „Sie
feiern, weil die Krankheit besiegt ist.“ Sie rührte Zucker in seinen Tee. „Ich
habe ihnen erlaubt, ein Lamm zu schlachten.“ Nachdenklich zog er seine Stirn in
Falten und nippte an der Tasse. „Was ist, Paul, war das nicht recht?“ Sie hätte
ihnen kein Schaf geben sollen, würde er jetzt sicher sagen ... „Nun ... Sie
singen ihre heidnischen Gesänge. Wir hätten lieber
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