Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Gesicht, das im Schein der aufgehenden Sonne wie polierte Bronze
leuchtete. „Bob, das ist dumm. Du weißt es. Niemand gibt mir das Kind. Und was
soll ich mit dem Kind?“ Wieder schweifte sein Blick in die Ferne. Der Sturm
hatte alle Wolken vom Himmel vertrieben. „Ich muss sterben, Bob. Ich habe
Unglück über meinen Stamm gebracht.“
Robert holte Luft, um
Moses zu überzeugen, dass er sein Leben wieder in die Hand nahm, kämpfte, handelte,
doch er konnte nicht die richtigen Worte finden. Die Sonne stieg langsam höher.
Der Tee war kochend heiß, Robert
trank ihn in winzigen Schlucken. „Aber du lebst doch gar nicht mehr so wie
deine Vorfahren“, versuchte er es erneut. „Du lebst wie ich. Sieh dir nur deine
Haare an und deine Kleidung. Du kannst Auto fahren, und fotografieren kannst du
auch. Du bist nicht mehr wie sie!“
Moses lächelte müde.
„Bob, ich bin ein Pintubi. Ein Pintubi, was immer passiert.“ Dann legte er
seine Hand auf Roberts Arm, und plötzlich wurde sein Blick klar. „Du musst das
Kind retten, Bob. Jetzt. Geh!“ Robert schluckte schwer. „Du meinst, nicht nur
du, sondern auch das Kind soll getötet werden?“ Moses sah ihn nur weiter an.
„Geh!“, sagte er, und seine Augen flackerten. „Bring es weg!“ „Aber ich will
dich nicht allein lassen! Du musst mitkommen! Moses! Komm verdammt noch mal
mit!“ Moses schüttelte den Kopf. „Warum verstehst du nicht!“
Robert wusste, dass er Moses nicht
überreden konnte. Er hatte ihn noch nie überreden können. „Gut“, sagte er,
schüttete den Tee aus und stand auf. „Ich gehe und rette dein Kind.“ Da flog
ein Lächeln über Moses’ Gesicht. Ein erleichtertes, endlich glückliches
Lächeln. Robert zögerte noch einen Augenblick, dann ließ er Moses einen
Wasserkanister da und stieg in den Wagen.
11
Emma bückte sich und
grub mit einem Spaten den Ring um den dürren Zitronenbusch tiefer, damit beim
Bewässern das Wasser nicht davonlief. Der Sandsturm hatte manche der jungen,
empfindlichen Pflanzen fast erstickt. Mit Hilfe von fünf Frauen legte Emma den
Garten wieder frei. Sie richtete sich auf, strich sich eine Haarsträhne hinters
Ohr und hielt, wie schon so oft, seit sie vor zwei Tagen von der Höhle der
Frauen zurückgekommen war, Ausschau nach Reitern oder nach einem Automobil.
John musste etwas zugestoßen sein, sonst wäre schon längst jemand aus Stuart
eingetroffen, dachte sie, immerhin war er vor fünf Tagen aufgebrochen.
Vielleicht hatte er sich im Sturm verirrt? Und wenn er verdurstet war?
Vielleicht war er vom Pferd abgeworfen worden und hatte sich verletzt?
Die Vormittagssonne
brannte heiß. Die Kleidung klebte auf ihrer Haut. Hätte sie mit ihm gehen
sollen? Hätte sie ihn zum Dableiben bewegen sollen? Er war mit einer anderen
Frau verheiratet, und sie würde sich niemals zwischen ihn und Isabel drängen. Er war es, der sich entscheiden musste.
Warum hatte sie ihm das nicht gesagt? Warum hatte sie nicht die Kraft gehabt,
mit ihm darüber zu reden? Warum hatte sie so barsch sein müssen? Sie sah hinauf
in den azurblauen Himmel, vor dem sich die blutroten Bergspitzen messerscharf
abhoben, als hätte es nie einen Sandsturm gegeben. Sie drehte sich zu Isi und
Mani, die miteinander plaudernd den Boden lockerten und die Pflanzen gossen.
Isi sah auf und lächelte ihr zu. Emma erwiderte das Lächeln.
„Jungala wieder gut!“
Isis nickte ihr zu. Emma träufelte seit vorgestern Isis Sohn Tropfen in sein
geschwollenes Auge. Heute Morgen hatte Emma erleichtert festgestellt, dass die
Schwellung zurückgegangen war. Es war richtig, dass ich hier geblieben bin,
sagte sie sich und verdrängte rasch eine seltsame, beunruhigende Sehnsucht.
Wäre es nicht wunderschön, hier bleiben zu können? Sie könnte eine
Krankenstation einrichten. Auch die Leute in Stuart klagten doch darüber, dass
es keine Krankenschwestern gab ...
Sie wollte sich gerade
dem nächsten Busch zuwenden, als sie in der Ferne eine Staubwolke bemerkte. Da
fingen auch schon die weißen Hunde zu bellen an. Sie stieß den Spaten in die
Erde und ging langsam in Richtung der Hütten. Drei Kamele kamen in der
flirrenden Hitze auf Neumünster zu. Emma hielt die Hand über die Augen und
versuchte die Reiter zu erkennen. Hatte man sie aus Stuart geschickt? Isi war
Emma gefolgt und stellte sich neben sie.
„Wer? Missionar?“,
fragte Isi mit ihrer kräftigen dunklen Stimme. Sie stand groß und breit
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