Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
neben
Emma, als wolle sie sie beschützen. Und tatsächlich fühlte sich Emma in ihrer
Nähe viel sicherer. „Ich weiß es nicht, Isi. Wir werden sehen.“ Bald hatten sich
alle Bewohner Neumünsters und die beiden Hunde hinter ihnen versammelt und
warteten stumm und gespannt auf die einsame Karawane, die sich ihnen näherte.
Emma erinnerte sich
genau an den strengen Mann mit den flinken, unruhigen Augen, der Himmelfahrtsnase
über dem kleinen, spitzen Bärtchen und der knarrenden Stimme: Johannes Reichel,
der Superintendent, dem sie in Tanunda vorgestellt worden war. Das Gefühl, das
sich damals eingestellt hatte, befiel sie auch jetzt, als er sein Kamel drei
Meter vor ihr zum Stehen brachte: Sie traute ihm nicht.
„Guten Tag, verehrte
Frau Schott“, grüßte Reichel, machte eine knappe Verbeugung mit dem Oberkörper
und ließ einen skeptischen Blick über die Eingeborenen gleiten. Emma nickte ihm
zu. Reichel und seine beiden Begleiter klopften den Tieren an den Hals, sodass
sie sich im Sand niederließen. Emma wartete, bis Reichel in seinem staubigen
schwarzen Anzug umständlich abgestiegen war. Er zog seinen schwarzen Hut und
kam mit ausgestreckter Hand auf Emma zu. „Mit einem solchen Willkommensgruß
hatten wir gar nicht gerechnet, kommen wir doch völlig unangemeldet.“ Er
lächelte dünn. Emma stutzte. „Hat denn John Wittling Sie nicht unterrichtet
...?
Der Superintendent
schüttelte den Kopf. Sein Lächeln wurde bemüht. „Was sollte Mister Wittling
...“ Emma unterbrach ihn. Sie wollte ganz sicher sein. „Sie waren also nicht in
Stuart?“
Johannes Reichel steckte
die Daumen in seine Westentaschen und wiegte den Oberkörper vor und zurück. Er
ist nicht im Mindesten besorgt, wunderte sich Emma. „Aber natürlich waren wir
in Stuart!“ Er lächelte wieder und wies auf die beiden jüngeren Männer, die
bisher noch kein Wort gesprochen hatten. Auch sie trugen dunkle Hose, weißes
Hemd und Weste, ihre Jacken hatten sie auf ihrem Kamelsattel verstaut. „Das ist
mein Assistent, Herr Peter Pfannebecker.“ Er nickte dem blonden Mann zu. „Und
dies ist Mister Marshall. Er ist Geologe“, fügte er hinzu.
Was wollte der
Superintendent mit einem Geologen? Sie musterte den etwa dreißigjährigen
kräftig gebauten Mann mit dem runden, roten Gesicht und dem kurz geschnittenen
Haar. Seine Kleider mitsamt dem Hut waren durchgeschwitzt. Auch auf seinem
roten Gesicht standen Schweißperlen. Er sah aus, als könnte ihn im nächsten
Moment ein Hitzschlag oder ein Herzschlag niederstrecken. Der Assistent
hingegen war lang und dünn, Hose und Hemd waren um mehrere Nummern zu groß und
schlotterten an seinem Körper. Er hatte ein langes blasses Gesicht mit kantigem
Kinn und fleischigen Lippen. Seine Augen hatten etwas Verschlagenes und Feiges.
Er mied Emmas Blick. Reichel sah Emma an, als erwarte er von ihr eine
Erklärung.
„Mein Mann ist verstorben“, sagte sie schließlich und
verschwieg die näheren Umstände. „An Typhus.“ Das Lächeln auf Reichels Gesicht
gefror. „Typhus?“, wiederholte er und wich unwillkürlich einen Schritt zurück.
„Aber warum hat uns das keiner gemeldet? Wann ist das denn passiert?“ Seine
beiden Begleiter wirkten erschrocken. Die Augen des Superintendenten zuckten
nervös. „Seien Sie unseres Mitgefühls versichert. Möge Pastor Schott in Frieden
ruhen.“ Er hüstelte und hielt sich die Faust vor den Mund. Sein Spitzbärtchen
zitterte. „Auch im Namen der Missionsgesellschaft spreche ich Ihnen natürlich
mein Beileid aus. Aber wo ist Pastor Wittling?“ Er warf einen fast ängstlichen Blick
auf die schweigende Menge der Eingeborenen hinter Emma.
„Er wollte Hilfe holen
und ist offenbar nicht in Stuart angekommen. Es gab einen Sandsturm“, sagte
Emma, und sie war sich jetzt sicher, dass John etwas zugestoßen sein musste.
„Guter Gott!“ rief der
Superintendent fassungslos. „Wir müssen ihn suchen lassen! Wir haben Stuart
rechtzeitig vor dem Sandsturm erreicht! Meine Hochachtung, Frau Schott, dass
Sie es hier allein ausgehalten haben!“ „Oh, ich bin nicht allein“, erwiderte
Emma mit einem kurzen Blick auf Amboora, Isi und Mani, die mit ernster Miene
hinter ihr standen, ein paar Schritte vor den anderen etwa dreißig Männern und
Frauen. Ein Lächeln flog über das vertrocknete Gesicht mit dem spitzen Bart.
„Nun ja“, sagte er mit schnarrender Stimme, „ich nehme an, Sie haben Ihre
Sachen schon
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