Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
gepackt. Sie kommen am besten gleich mit. Wir werden in Stuart
wegen eines Nachfolgers telegrafieren.“ Er schüttelte den Kopf und warf
verzweifelte Blicke in die Menge. „Das kann nicht wahr sein ...“, murmelte er.
„Sie sind ja seit Tagen hier ... sozusagen nur mit ...“
Emma hörte nicht mehr
zu. Natürlich wusste sie, dass sie gehen musste, aber so schnell ... Bevor sie
etwas erwidern konnte, sagte Reichel: „Nun, da sich die Situation so vollkommen
geändert hat, dürfte es noch weniger Probleme bereiten, als wir angenommen
haben.“ „Was meinen Sie damit?“, fragte sie, plötzlich misstrauisch geworden.
Statt einer Antwort wandte sich der Superintendent an den Geologen. „Wollen Sie
gleich anfangen, Mister Marshall?“ „Womit anfangen?“, fragte Emma irritiert.
Der Superintendent sah sie argwöhnisch an und verschränkte die Arme hinter dem
Rücken. „Mister Marshall wird es Ihnen erklären.“
Der Geologe wischte sich
mit einem großen schmutzigen Taschentuch den Schweiß von Stirn und Nacken und
hob den Blick zu den Bergen. Mit gerunzelter Stirn nickte er. „Es könnte sein,
dass hier bei diesen Bergen Goldvorkommen lagern. Wir werden ...“ Emma hörte
nicht mehr zu, starrte ihn nur an. Wusste er überhaupt, was er da gerade gesagt
hatte? „...
sprengen“, endete er und stopfte das Taschentuch in die ausgebeulte
Hosentasche. „Ich glaube, meine Herren“, sagte sie, „Sie wissen nicht, wovon
Sie gerade reden!“ Der Superintendent und der Geologe sahen sie überrascht an,
dann wechselten sie schnelle Blicke, sagten jedoch nichts. „Dieses Land hier
gehört den Eingeborenen.“ Emma spürte, wie die Wut in ihr hochstieg. „Diese
Berge sind ihnen heilig, wie uns unsere Kirchen. Und würden Sie unsere Kirchen
sprengen, weil unter ihnen vielleicht ein paar Brocken Gold lagern?“
Wieder das unangenehme
überhebliche Lächeln des Superintendenten, während das Gesicht des Geologen
gefährlich dunkelrot anlief und der Assistent an seinen Nägeln zu kauen begann.
„Frau Schott, bitte, dieser Vergleich ist unangebracht!“ Der Superintendent
schüttelte mit übertriebener Empörung den Kopf. „Sie glauben gar nicht, wie
viele so genannte ‚heilige Stätten’ es in dem Land gibt! Der ganze Kontinent
ist eine!“ Er lachte auf, als habe er einen guten Witz gemacht, und suchte bei
dem Geologen Zustimmung. „Nicht wahr, Mister Marshall?“ Der grinste breit und
jovial. „Da könnten Sie Recht haben!“
„Frau Schott ...“ Der Superintendent schlug nun einen
nachsichtigen, belehrenden Ton an. Er sprach langsam, als sei Emma nicht ganz
zurechnungsfähig. „Was Sie da gerade gesagt haben, widerspricht zudem
vollkommen Ihrer Aufgabe! Sie haben den Eingeborenen die Frohe Botschaft zu
verkünden, Sie sollen Sie zu gläubigen Christen machen, dafür sammelt die
Missionsgesellschaft Geld, dafür hat sie Sie und Ihren Mann, Gott hab ihn
selig, hierher geschickt und bezahlt auch Sie, Frau Schott.“
„Ich habe kein Geld
bekommen“, fuhr sie ihn an. Oh, wie wütend sie war! Sie hätte diese drei Männer
am liebsten mit einem Gewehr in der Hand vertrieben. „Aber Ihr Mann“, gab
Reichel barsch zurück. Seine Nachsicht war verschwunden. „Wir sind nicht hier“,
fuhr er in mildem Ton fort, „um so genannte ‚heilige Berge’ zu schützen und das
Heidentum zu stärken.“ Sein Lächeln wirkte falsch. „Wir sind hier, um das alles
zu beenden.“ Er ließ seinen Blick über die Gruppe der Menschen hinter Emma
wandern und schüttelte wieder den Kopf. „Nun, jedenfalls wird Mister Marshall
Probebohrungen machen, nicht wahr, Mister Marshall?“
„Das wird er nicht “, widersprach Emma. Alles in ihr
spannte sich. Der Superintendent reckte seinen Hals und lachte auf. „Sie
scherzen, Frau Schott.“ Er legte seinen Kopf mit dem schwarzen Hut schief und
lächelte süßlich. „Ganz und gar nicht“, gab Emma zurück, ohne eine Miene zu
verziehen. „Nun, wie darf ich das verstehen? Sie glauben doch nicht, Mister
Marshall an der Ausführung seiner Arbeiten hindern zu können, nicht wahr?“ Er,
der einen halben Kopf kleiner war als Emma, versuchte breiter und größer zu
wirken, doch Emma stemmte die Arme in die Hüften, reckte ihren Hals und sah ihn
von oben herab an. „Doch. Genau das werde ich.“ „Aber Frau Schott! Nun machen
Sie sich doch nicht lächerlich!“
Oh, nein, dachte sie,
ich werde mich bestimmt nicht lächerlich machen!
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