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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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hupten,
    Kutscher schnalzten, Pferde schnaubten, und überall Menschen, die einstiegen,
    ausstiegen, Koffer öffneten, wieder schlossen, sich umarmten, Mäntel aus-und
    anzogen ... „Hallo, Dienstmädchen gesucht!“, rief eine Frau mit langen,
    spitzenbesetzten Röcken und einem wagenradgroßen Hut, der ihr Gesicht
    verdeckte, und winkte in ihre Richtung. Sehe ich aus wie ein Dienstmädchen?,
    schoss es Emma durch den Kopf. Aber, wie sahen Dienstmädchen denn eigentlich
    aus? Sie kamen allein, ohne Mann... Neben Emma eilte eine junge Frau vorbei,
    ohne Begleitung – einen schäbigen Koffer in der Hand. „Hierher, kommen
    Sie hierher!“ Das kam von einer anderen Frau, mit einem mindestens genauso
    großen Hut, an dem ein blaues Band wehte. „Aber meine Dame, warten Sie!“ Der
    Mann, der mit dem Hut gewinkt hatte, eilte auf Emma zu und streckte die Arme
    nach ihren Koffern aus. Dankbar überließ sie sie ihm. Er hatte ein zartes
    Gesicht mit einem spärlichen altmodischen Backenbart. Er trug einen schlecht
    sitzenden schwarzen Anzug, dessen Stoff schon an einigen Stellen glänzte, die
    Jacke spannte über der Brust und drohte den Knopf zu sprengen, die Hosenbeine
    waren sicher zehn Zentimeter zu kurz, das Leder der schwarzen Schuhe war
    abgeschabt, verbeult und staubig. „Danke! Wie haben Sie uns erkannt?“, fragte
    sie atemlos. „Oh, man hat sie mir beschrieben: Pastor Paul Schott hat rotes
    Haar, wie der Teufel!“ Er lachte, und Paul, der neben dem schmächtigen jungen
    Mann noch stattlicher wirkte, fiel in sein Lachen ein. Paul legte ohne Mühe
    seine beiden Koffer in den Kofferraum der offenen schwarzen Droschke. Der junge
    Mann wuchtete Emmas Koffer schwungvoll hinauf, rieb die Handflächen
    gegeneinander, als müsse er den Staub der Koffer loswerden, zog dann sein
    schwarzes Jackett stramm, nahm Haltung an und streckte Paul die rechte Hand
    entgegen. „Albert Keil. Ich heiße Sie im Namen der evangelisch-lutherischen
    Kirche Australiens herzlich willkommen!“ Er strahlte voller Stolz. „Vielen
    Dank! Wir fühlen uns sehr geehrt“, gab Paul zurück. „Unser Pastor Emig hat ein
    kleines Willkommensfest für sie arrangiert. Wir freuen uns wirklich, dass Sie
    hier sind! Wir haben überlegt, ob wir Ihnen gleich eine mehrstündige Fahrt ins
    Barossa Valley zumuten können.“ „Sie meinen, nach Bethany?“ Paul sprach den
    Namen ehrfürchtig aus. Albert Keil nickte. „Bethany hieß damals Neuschlesien,
    weil die ersten Siedler aus Schlesien und Polen kamen. Im Barossa Valley gibt
    es viele Orte mit deutschen Namen, wie Sie sicher wissen. Wir fahren nach
    Tanunda, das liegt direkt neben Bethany.“ Paul legte ihm die Hand auf die
    Schulter und lächelte. „Mein Freund, Sie können uns die Fahrt ruhig zumuten.
    Wir haben uns auf dem Schiff wochenlang ausgeruht.“ Albert Keil machte eine
    einladende Geste in Richtung Droschke. Die beiden braunen Pferde, unbeeindruckt
    vom Treiben und dem Lärm um sie herum, standen regungslos da. „Wie lange sind
    Sie schon in Australien?“, fragte Paul, die Hand schon am Griff des schwarz
    lackierten Chassis, über dem eine dicke gelblich graue Staubschicht lag. „Oh,
    ich bin hier geboren!“ Albert Keil nickte, um dieser Tatsache noch mehr
    Nachdruck zu verleihen. „Meine Großeltern kamen nach achtzehnhundertachtundvierzig,
    nach den Aufständen hierher. Mein
    Vater wurde hier geboren. Meine Mutter kam kurz vor meiner Geburt, genau zur
    Jahrhundertwende aus Dresden.“ Sein Schulterzucken hatte etwas Bedauerndes. „Aber
    ich selbst war noch nie dort. Vielleicht komme ich ja irgendwann mal hin!“ „Sie
    sprechen immer noch so gut deutsch“, sagte Emma, und sein Blick wandte sich ihr
    zu. „Wir sprechen in der Familie immer deutsch ...“ Er lächelte schüchtern.
    „... obwohl wir alle naturalisiert, also eingebürgert sind und den Eid auf den
    englischen König geschworen haben. Aber es war nicht leicht in den letzten
    Jahren. Wir Deutschstämmigen hatten eben doch nicht dieselben Rechte wie die
    britischen Bürger. Wenn einer von uns Aktien besaß, musste er sie an den Staat
    abgeben. Wir waren ‚Feindliche Subjekte’, ‚Spione’. Einige haben ihren Besitz
    verloren oder wurden in Lager gebracht, nach New South Wales oder nach Torrens
    Island.“ Er war ernst geworden, zuckte dann die Schultern und zauberte wieder
    ein Lächeln auf sein Gesicht. „Aber der Krieg ist vorbei! Und trotzdem sprechen
    wir deutsch. Auch meine Kinder sollen die Sprache

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