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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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Liebe, Zusammengehörigkeit, Vertrauen? Sosehr
    sie sich auch bemühte, nichts davon stellte sich ein. Nur diese tiefe Traurigkeit,
    allein zu sein, stieg in ihr auf. Ich muss diesen Brief vergessen, sagte sie
    sich, er soll und darf keine Bedeutung für mich haben. Wir haben eine
    gemeinsame große Aufgabe! Sie sah ihn von der Seite an. Er ahnte nichts von
    ihren Seelenqualen. Hatte er nicht bemerkt, dass sie sich verändert hatte?
    Vor ihnen erhob sich die
    Kaimauer. Schemen von Pferdedroschken, Automobilen und Menschen tauchten aus
    dem unbestimmten Grau der Ferne auf, gewannen an Kontur und wurden schließlich
    so klar, dass die Passagiere auf der Britannia ihre Verwandten erkannten
    und ihnen aufgeregt zuriefen und zuwinkten. Taue wurden geworfen, eilig und
    gekonnt um die Pfosten geschlungen,
    Wasser klatschte an Kaimauer und Bordwand, metallene Gelenke knirschten,
    während das Dröhnen der Turbinen zu einem leiseren Röhren wurde, das
    schließlich erstarb. Mit donnerndem Rattern wurde die Landungsbrücke ausgelegt,
    dann waren nur noch das Gluckern des Wassers, das Jubeln der Menschen, die
    Zurufe der Matrosen und das Getrappel unzähliger Schritte auf der
    Landungsbrücke zu hören.
    Um kurz nach neun Uhr,
    gleich nach den Passagieren der ersten Klasse, verließen Emma und Paul Schott
    die Britannia . Sie schleppten ihre vier großen Koffer selbst, da Paul
    nicht warten wollte, bis sie von Trägern an Land geschafft wurden. Sie würden
    von einem Mitglied der Lutherischen Kirche abgeholt, und Paul wollte ihm nicht
    zumuten, zu lange zu warten. Emma wollte widersprechen, wollte darauf
    hinweisen, dass es dem Mitglied der Lutherischen Kirche sicher nicht auf zehn
    oder sogar dreißig Minuten ankäme, schließlich habe die Britannia ja
    exakt nach Fahrplan den Hafen erreicht – doch sie wollte nicht gleich
    jetzt, bei der Ankunft, Paul widersprechen, der so darauf brannte, endlich an
    Land zu gehen. Also schleppte sie ihre beiden Koffer selbst, die mit jedem
    Schritt schwerer zu werden schienen.
    Sie konzentrierte sich
    auf Pauls Rücken vor sich und biss die Zähne zusammen. Sie wollte auf keinen
    Fall gleich aufgeben. Was würde Paul denken? Wie sollte sie Australiens Eingeborene
    zu Christen machen, wenn sie es nicht einmal schaffte, ihr eigenes Gepäck ein
    paar Meter weit zu tragen? So versuchte sie mit Paul Schritt zu halten. Kurz
    kam ihr das Bild von der Arche Noah in den Sinn, wie musste es da zugegangen
    sein, als die Tiere endlich wieder an Land gehen konnten! Doch schon spürte sie
    ein Gepäckstück im Rücken, und der stechende Schmerz holte sie zurück nach
    Adelaide, auf den Landungssteg der Britannia.
    Als sie schließlich auf dem Pflaster
    des Kais stand, stellte sie die beiden Koffer mit einem unterdrückten Ächzen
    neben Pauls Koffern ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war hier
    an Land viel wärmer als noch vor einer Stunde auf See. Ihr Wintermantel war
    viel zu warm. Aber da sie keine Hand frei hatte, um ihn zu tragen, behielt sie
    ihn an. Inmitten sich umarmender und Freudentränen vergießender Menschen,
    schrillem Kindergeschrei und aufgeregtem Hundegebell fühlte sie sich noch
    einsamer. Würde sie sich hier jemals heimisch fühlen? Wann und mit welchen
    Erinnerungen würde sie dieses Land wieder verlassen? Würde sie es überhaupt je
    wieder verlassen? Sie dachte an Ottmar und Hilde Friedrich und sah zum Schiff
    zurück. Hinter den letzten Passagiere trugen je vier Stewards mit ernstem
    Gesicht die beiden Särge aus hellem Holz über die Landungsbrücke. Der quirlige
    dicke Mann hatte sich Sorgen um sie gemacht. Das hatte sie gerührt. „Emma!“,
    hörte sie Paul ungeduldig rufen. „Wo bleibst du?“ Sie warf einen letzten Blick
    zum Schiff, nahm die Koffer wieder auf und drängte sich durch die
    Menschenmenge.
    „Hallo!“ Hinter einem
    Haufen Koffer und Kisten konnte Emma einen Mann ausmachen, der mit dem Hut
    winkte. „Pastor Schott?“, hörte sie ihn rufen. „Ja!“, rief Paul und schob sich
    zwischen den herumstehenden Menschen durch. Emma hastete hinter ihm her. Die
    Koffer waren schwer wie Mühlsteine geworden. Mit zusammengebissenen Zähnen
    kämpfte sie sich durch die Menge, stieg über eine dicke Teppichrolle, stolperte
    zwischen zwei großen Männern durch, bis sie endlich den Platz erreichte, auf
    dem Automobile und Pferdedroschken parkten. Gepäck wurde auf Dächer gehoben,
    ins Wageninnere gestopft oder auf Heckklappen festgeschnallt; Autos

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