Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Schultern legten. „Sam! Um Himmels
willen! Geben Sie Acht! Sam, es wird alles gut!“ Schluchzend folgte sie den
Männern, die den Verletzten vom Auto zur Leiter schleppten. Der Kopf des Mannes
hing kraftlos herunter. „Sam! Oh, Sammy!“ Die Frau schlug die Hände vors Gesicht. Mit der
Hilfe des Lokführers gelang es den drei Männern schließlich, den Kranken hoch
auf die Plattform zu hieven. „Was fehlt ihm denn?“ Da erst drehte Emma sich um
und sah, dass Carl Gustavsson das Abteil gar nicht verlassen hatte. „Wenn er
eine ansteckende Krankheit hat ...“ Er war plötzlich blass geworden. „Ich
erinnere nur daran, wie ansteckend die Grippe ist! Millionen Menschen hat sie
dahingerafft ...“ „Ach, hören Sie auf, Herr Gustavsson!“, unterbrach Emma ihn
aufgebracht. „Wenn Sie krank wären, wollten Sie doch auch, dass man Ihnen
hilft!“ Er wurde rot und schwieg. Paul und John schleppten den Mann herein.
„Emma, leg die Decke auf die Bank.“
Schnell breitete Emma
die fadenscheinige graue Wolldecke aus. Sie bemerkte zwei handtellergroße
dunkle Flecken darauf. Blut? „Sam!“ Die Frau drängte hinter John und Paul ins
Abteil. „Bitte ...“, dabei sah sie Emma flehend an, „... bringen Sie ihn in
Oodnadatta zum Arzt!“ Der Lokführer stand inzwischen auch im Abteil, so dass
sich niemand mehr bewegen konnte. „Wenn wir Glück haben“, sagte er, „ist Dr.
Brown heute in Marree.“ „Ja, bitte, fahren Sie! Es geht ihm seit zwei Wochen
immer schlechter! Er hat hohes Fieber, ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
Er darf nicht sterben!“ Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. Wie dünn sie ist,
dachte Emma. Diese Frau sieht völlig
überlastet aus. „Was hat er denn?“, fragte Emma und betrachtete das
eingefallene Gesicht des Kranken. Die Frau schlug die großen, rissigen Hände
vor den Mund, schloss verzweifelt ihre Augen, schüttelte den Kopf und sah dann
auf ihren Mann hinunter, der teilnahmslos und ermattet, in eine zweite Decke
gehüllt, auf der Bank lag und leise stöhnte. „Wir züchten Schafe, und vor zehn
Tagen, abends, da kam er ganz abgeschlagen heim. Er war zwei Wochen lang weg
gewesen.“ Sie sprach schnell und atemlos, und Emma musste sich anstrengen,
alles zu verstehen. „Er klagte über Übelkeit und Bauchschmerzen, und dann
fingen die Kopfschmerzen und das Fieber an. Und hier ist weit und breit kein
Arzt!“ „Haben Sie ihm eine Arznei gegeben?“, fragte Emma. Die Frau schüttelte
den Kopf. „Nur Tee ...“ „Wir fahren sofort los. Kommen Sie“, sagte der
Lokführer zu der Frau und wollte sie hinausschieben. „Fahren Sie denn nicht mit
Ihrem Mann mit?“, fragte Emma. Die Frau drehte sich zu ihr um und sah sie mit
erstaunten Augen an. „Aber ich kann doch nicht zwei kleine Kinder und die Farm
allein lassen.“ Damit wandte sie sich um, beugte sich kurz über ihren Mann,
flüsterte ihm etwas zu und tätschelte ihm die Wange. „Bitte“, sie wandte sich
an Emma, „bitte, bringen Sie ihn zum Arzt!“ Und leise fügte sie hinzu: „Ich
weiß nicht, was ich ohne ihn tun soll ...“ „Beten Sie“, sagte Paul und legte
die Hand auf ihre Schulter. „Gott ist mit uns.“ Die Frau sah ihn zuerst
befremdet an, doch dann nickte sie, beugte sich nochmals zu ihrem Mann, drückte
seine Hand und ließ sich dann vom Lokführer nach draußen führen. „Sam, hören
Sie mich?“ Emma kniete neben ihm nieder. Seine Stirn war heiß und klebrig von
Schweiß. Sein Puls ging hart und trotz des hohen Fiebers erstaunlich langsam.
„Was hat er?“, wollte Paul wissen, doch Emma schüttelte den Kopf. „Gib mir die
Flasche Wasser.“ „Was ...?“ Paul runzelte fragend die Stirn. „Tu es einfach,
Paul.“
Ohne weiter zu fragen,
bückte sich Paul und nahm aus dem Vorratskorb eine der drei Flaschen, die sie
bei jeder Gelegenheit mit Trinkwasser auffüllten, und gab sie ihr zusammen mit
einem Taschentuch. Emma entkorkte
sie, tränkte das Taschentuch und tupfte es ihm auf die Stirn. Er musste sich
seit Tagen nicht mehr rasiert haben, Stoppeln bedeckten sein Gesicht. Carl Gustavsson hatte sich auf die andere
Bank gesetzt und betrachtete den Kranken, hielt sich aber die Hand vor die
Nase, als habe er Angst, irgendetwas Gefährliches einzuatmen. Im Krankenhaus in
Neumünster hatte Emma öfter im Operationssaal geholfen und sich sehr für die
Untersuchungen im Labor interessiert. Immer wieder war es niederschmetternd
gewesen, wie wenig sie
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