Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
Vom Netzwerk:
ziehen.
    Prüfend hielt sie das nasse
    weiße Hemd gegen die Sonne. Seifenlauge lief an ihren nackten Unterarmen
    hinunter, rann ihr bis unter die Achseln, wo es unangenehm kitzelte. Sie konnte
    keinen Fleck erkennen, es wirkte, als ob es aus sich selbst heraus strahlte.
    Sie wrang das Hemd aus und hängte es in denselben Baum, in dem sich ihre
    beigefarbene Bluse schon in mehreren Zweigen verheddert hatte. Eine helle Spur
    aus wimmelnden, krabbelnden Körpern zog sich von der Erde über den Stamm bis zu
    dem Ast hinauf, an dem ihre Bluse hing. Weiße Ameisen! Sie hatte von ihrem
    ungeheuren Appetit auf Holz gehört. Die Holzmasten der Telegrafenlinie hatten
    schon kurz nach ihrer Aufstellung gegen metallene ausgetauscht werden müssen,
    weil die weißen Ameisen sie buchstäblich auffraßen, hatte sie gelesen.
    Neugierig beobachtete sie die Ameisen, wie sie bis zu den Wassertropfen
    krabbelten, die von ihrer Bluse auf die Zweige gefallen waren, und dann kehrt
    machten. Woher waren die Ameisen so rasch gekommen, hier in dieser weiten
    Wüste? Sie beobachtete sie eine Weile und nahm sich das letzte Hemd vor.
    Während sie die Seifenlauge über den weißen Stoff bürstete, dachte sie an zu
    Hause, wie sie ihrer Mutter beim Wäschewaschen geholfen hatte, und seufzte.
    Nannte man dieses Gefühl der Schwere, das einen bei der Erinnerung an zu Hause
    befiel, Heimweh? Gehörte der Kloß im Hals dazu und die Träne, die über ihre
    Wange rann? Entschieden wischte sie sie ab und hängte gewissenhaft und
    sorgfältig das tropfende Hemd auf den Zweig.

2
    Hassan hatte aus drei
    Baumstämmen einen provisorischen, nach einer Seite hin offenen Windschutz
    gebaut. Die beiden Wagen standen hinter dem Wall und würden weiteren Schutz vor
    dem kalten Wind bieten, der am Abend häufig aufkam. Ein Zelt hatten sie nur in
    der ersten Nacht für Emma und Paul aufgeschlagen. Doch Paul war mitten in der
    Nacht aufgestanden und hatte draußen weitergeschlafen, „unter dem Firmament“,
    wie er erklärt hatte. Für sie allein wollte sie das Zelt auch nicht aufbauen
    lassen – sie fürchtete nächtliche Besuche ihres Mannes. Draußen, so
    dachte sie, würde er es nicht wagen, mit ihr zu schlafen.
    Noch war die Dämmerung
    nicht hereingebrochen, aber schon ergrauten die Farben: das Gelb der Erde, das
    Graugrün der Büsche und das Braunblau des Wasserlochs. Heute wehte kaum Wind.
    Die Flammen des Lagerfeuers umhüllten ruhig und beständig die Äste, bis sie
    aufglühten, langsam verkohlten und schließlich leise ächzend zu Asche
    zerfielen.
    Der Billy, ein
    zerbeulter Teekessel aus Blech, stand auf einem flachen Stein neben dem Feuer.
    Emma hatte schon zwei Tassen schwarzen Tee getrunken, den sie zu Hause –
    obwohl sie wahrlich nicht verwöhnt war – nicht angerührt hätte. Aber hier
    nahm sie den brackigen, bitteren Geschmack hin. Bis gestern noch hatte er ihr
    geholfen, das stark gesalzene und auf diese Weise konservierte gebratene
    Fleisch herunterzubekommen. Doch seit dem Morgen konnte sie es nicht mehr
    riechen. John hatte davon gesprochen, den Speiseplan um frisches
    KänguruFleisch zu bereichern, doch bisher hatte sich weder ein Känguru gezeigt
    noch hatte sich eine Gelegenheit zum Jagen ergeben.
    John lehnte, in eine
    Decke eingehüllt, an einer Kiste und las in der Bibel. Den Hut, der ihn sonst
    vor der Sonne schützte, hatte er abgesetzt. Sein frisch gewaschenes Haar war
    ordentlich gekämmt. Auf der anderen Seite der Wasserstelle spazierte Paul mit
    nachdenklich gesenktem Kopf unruhig zwischen den grasenden Rindern umher.
    Hassan und sein Dingo-Hund waren nirgendwo zu sehen. Emma wusste, wenn sie sich
    jetzt zum Schlafen hinlegte, würde sie mitten in der Nacht hellwach sein. Und
    es gab für sie nichts Schlimmeres, als endlose Stunden in die undurchdringliche
    Dunkelheit zu starren, wo ihre Phantasie plötzlich schauerliche Gestalten
    erkannte und unheimliche Geräusche vernahm. Sie sollte sich waschen, das hatte
    sie sowieso den ganzen Tag schon vorgehabt.
    Sie trank den letzten
    Schluck aus ihrer Blechtasse, stellte sie für später neben das Feuer, stand
    auf, ging zum Wasserloch, tauchte einen Eimer hinein und schleppte ihn zu einer
    mit Tüchern geschaffenen Kabine zwischen den beiden Wagen. Dort zog sie sich
    aus, hängte die Kleider über die Wände aus Tüchern und wusch sich gründlich.
    Wie gut das tat, sich einzuseifen, dann das kühle Wasser über ihre Haut rinnen
    zu lassen und zu spüren, wie der sanfte

Weitere Kostenlose Bücher