Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
Windhauch über ihren nackten Körper
strich. Sie tauchte ihren Kopf in den Eimer, um ihr Haar zu waschen, und als
sie ihn wieder hob, fühlte sie sich wie neugeboren. Ihre Erschöpfung hatte sich
in Nichts aufgelöst! Sie nahm ein Handtuch und trocknete zuerst ihr Haar, dann
ihre Haut ab. Sie sah hinauf in den Himmel. Vier graurosafarbene Papageien
flogen über sie hinweg und ließen sich auf den obersten Ästen des Baums nieder,
unter dem John an den Kisten lehnte. Im Westen färbte sich der Himmel
allmählich rötlich, im Osten wurde er dunkler. Da, jetzt erst bemerkte sie,
dass der Mond schon aufgegangen war, eine blasse halbe Scheibe ... ein Mond aus
Blech, dachte sie.
War es nicht wunderschön
hier? Und diese friedvolle Stille! Die Wüste besaß ihre eigene Schönheit. Emma
nahm den Kamm, einen feinen aus dunklem Horn, und während sie ihn durch ihr
Haar zog, erinnerte sich wieder an zu Hause. Ob ihr Vater vielleicht doch
zurückgekommen war? Ihre Mutter kam ihr in den Sinn. Was sie wohl gerade tat?
Und ihr Bruder? War er wieder vernünftig geworden und hatte sich von seinen
zerstörungswütigen Kameraden gelöst? Ob sie zu Hause auch wohl ab und zu an sie
hier in Australien dachten?
Sie müsste wieder
schreiben. Während der ganzen Reise von Adelaide bis Oodnadatta hatte sie es
nicht getan. Es war ihr nicht danach gewesen, sie war viel zu sehr von all dem
Neuen und Fremden beansprucht gewesen. Sie musste es erst begreifen, bevor sie
in Briefen darüber berichten konnte. Sie kämmte ihr Haar, atmete die Luft ein,
die scharfe Mischung aus Pferde-, Rinder-und Kamelgeruch, doch da war auch das
andere, das, was schon vorher, schon
Jahrmillionen vorher, da gewesen war: der Duft der feinen Gräser und
silbrigen Blätter, der winzigen gelben Blüten, die sich über der kargen
rötlichen Erde ausbreiteten, der moosige Geruch des Wasserlochs, in dem sich
der Mond spiegelte, der Geruch nach feinem Staub ...
Sie fuhr zusammen. Durch
den schmalen Spalt zwischen den Tüchern starrten zwei fremde Augen aus einem
dunklen Gesicht sie an. Hassan! Sie zerrte das Handtuch vor ihren nackten
Körper, wollte schreien, doch sie brachte keinen Ton heraus. Da waren die Augen
auch schon verschwunden. Hastig zog sie sich an, knöpfte ihre frisch gewaschene
Bluse zu, wickelte das Handtuch wie einen Turban um ihren Kopf, stürzte zwischen
den Tüchern hervor und sah sich um. Aber da war niemand, nur die offene Weite
des Landes ... und hinter ihr das Camp. Hatte sie sich die Augen und das dunkle
Gesicht nur eingebildet? War das überhaupt Hassan gewesen? Langsam ging sie
hinüber zum Lager, wo das Feuer sich nun deutlich heller gegen die
hereinbrechende Dunkelheit abhob.
John hatte seinen Platz
verlassen und sich ans Feuer gesetzt, in das er gerade einen weiteren Ast
schob. Paul stand gebückt an der Proviantkiste.
„Wo ist Hassan?“, fragte
sie.
John sah auf, auf seinem
Gesicht zeigte sich ein Anflug von Verwunderung, wohl weil sie so plötzlich
aufgetaucht war. „Er wird irgendwo bei den Kamelen sein“, antwortete er. Sie
war sicher, dass Hassan sie beobachtet hatte. Oh, wie beschmutzt sie sich fühlte!
Paul setzte sich zu ihnen ans Feuer, stellte einen Teller mit Scheiben von
kaltem, gesalzenem Braten ab und legte ein paar Stücke Brot daneben. „Bald
müssen wir uns wohl auch Damper machen“, meinte Paul. „Unser Brot geht zu
Ende.“ Er streifte Emma mit einem kurzen Blick, den sie nicht deuten konnte,
und sagte: „Wir wollen beten.“ Sie falteten die Hände. Emma sah ins Feuer. Ihre
Kehle war zugeschnürt, ihre Zunge schwer. Wenn sie doch nur mit einem Menschen
vertrauensvoll reden könnte. Aber da war niemand ... „Herr, unser Gott, wir
danken dir für Speis und Trank. Wir gehen den Weg, den du für uns bestimmt
hast. Gib uns die Kraft, die Ausdauer und
Zuversicht, diese Aufgabe zu bestehen. Darum bitten wir dich. Amen“,
betete Paul. „Amen“, murmelte John, und Emma blickte vom Feuer auf.
Paul nahm Brot und Fleisch und begann zu
essen. John tat es ihm nach, aber Emma verspürte weder Hunger noch Appetit. Im
Gegenteil, der Geruch des gesalzenen Fleischs ekelte sie ungemein. Dabei war
sie sonst nicht so empfindlich oder gar verwöhnt! Ihr war kalt. Sie hätte sich
wohl doch nicht so spät waschen sollen. Niemand sagte etwas. Es war still, nur
die Äste im Feuer knackten. „Warum kommt Hassan nicht?“, fragte sie in die
Stille hinein. „Er muss doch auch
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