Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)
ganzen langen Tag ertragen hatten, am Wasserloch zu stillen.
„He!“ Ungeduldig ließ
Paul die Peitsche auf die schwitzenden Rücken knallen. Emma zuckte zusammen.
Sie fühlte sich so elend und schwach, dass sie nur noch sterben wollte. Doch
kein Wort des Jammerns hatte sie über die Lippen gebracht, und auch Paul hatte
keines über ihren Zustand verloren. Auf einmal hob Hassan den Arm. Paul stemmte
sich gegen die Zügel und brachte die Rinder zum stehen. Emma atmete auf. Wenn
sie nur endlich von dem harten Kutschbock herunterkäme, könnte sie sich einfach
auf der Erde ausstrecken. Sie musste im selben Augenblick vor Erleichterung
eingeschlafen sein, denn sie zuckte zusammen, als Paul ihren Arm berührte. „Wir
sind da“, sagte er und half ihr beim Absteigen. Sie klammerte sich an ihn und
ließ sich ein Stück weiter zu einer Gruppe von Bäumen führen. Dort sank sie zu
Boden. John wollte gerade mit dem Abspannen der Pferde beginnen, als Hassan
wild gestikulierend zu ihnen rannte. Sein Hund bellte. Hassan hatte ihn an den
Wagen gebunden. „Nein! Nicht! Müssen weiter!“, rief Hassan aufgeregt. „Warum?“
rief Paul zurück, die Arme in die Hüften gestemmt. Hassan führte sie zur
Wasserstelle. Auch Emma kam mit. Der Wasserspiegel schimmerte dunkel in der
einsetzenden Dämmerung. Nur ganz sanft leckten von der sachten Abendbrise
kleine Wellen am lehmigen Ufer. Jetzt sah Emma es auch. Tote Vögel! Überall am
Ufer lagen Vogelkadaver! „Hier kommen viele Blackfellows“, sagte Hassan in das
Schweigen hinein. „Vergiftet.“ „Aber wer tut so etwas?“, fragte Emma entsetzt.
„Farmer. Wollen Blackfellows vertreiben.“ „Sie vergiften ihre Wasserstellen?“,
Paul schaute Hassan ungläubig an. „Ja. Blackfellows kommen nie mehr hier
vorbei. Schlachten nie mehr Rinder von Farmern.“ Beklommen starrten sie auf die
todbringende Wasserstelle, bis Hassan sagte: „Dürfen Tiere nicht frei laufen
lassen, sonst trinken.“
Niedergeschlagen und von
einem langen Tag in der Wüste erschöpft und zermürbt, gingen sie zurück zu den
Wagen. Die Kamele konnten mehrere Tage ohne Wasser auskommen, aber die Rinder
und Pferde lechzten nach Wasser. Das Wasser, das sie von der gestrigen Rast
dabei hatten, würde außer für die Kamele für Mensch und Tier reichen, versicherte Hassan. Es war nicht viel,
aber sie müssten nicht verdursten. So stiegen sie wieder auf und zogen weiter,
bis nach einer Stunde vier kantige Felsen auftauchten. Dort schlugen sie das
Lager auf.
Nachdem Emma Hassan beim
Verarzten von Esmeralda geholfen hatte, hüllte sie sich in Decken und lehnte
sich an einen der Felsen. Sie konnte nicht mehr. Mit zittrigen Händen führte
sie eine Tasse Wasser an ihre Lippen. Zwar widerte die Vorstellung, schlucken
zu müssen, sie an, doch sie wusste, dass sie unbedingt trinken musste. Mit
winzigen Schlucken flößte sie sich die abgestandene Flüssigkeit ein und sah zu
den Männern hinüber. Den ganzen Tag schon hatten sie nicht miteinander geredet.
John war auf den
größeren der beiden Wagen geklettert und band die Ersten der acht Wasserkanister
los. Paul nahm sie ihm von unten ab. Plötzlich knallte ein Metallkanister nach
dem anderen mit lautem Scheppern auf den Boden. Emma schreckte hoch. John stand
zornig oben auf dem Wagen und trat gegen einen Kanister. „Leer! Und der auch!
Und der auch!“, schrie er. Paul starrte auf die vier am Boden liegenden
Kanister. „Ich hab’ meine vier aufgefüllt!“, schrie John und sprang vom Wagen.
Wütend versetzte er den leeren Behältern einen Tritt. „Und das alles, weil Sie
unbedingt das Grab ausheben mussten! Oder haben Sie das absichtlich gemacht,
damit wir den kürzeren Weg über die Berge nehmen müssen?“, schrie er Paul an,
der betroffen dastand. So außer sich hatte Emma John noch nie erlebt. „Nein“,
antwortete Paul ungewohnt kleinlaut, „nein, ich habe es nicht absichtlich ...“
„Und wissen Sie was?“, schnitt ihm John das Wort ab. Er stand jetzt ganz dicht
vor Paul. „Bei Ihnen kommt zuerst die Bibel, und dann erst kommen die Menschen!
Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig
aber reißende Wölfe sind!“, zitierte er aus der Bibel. Er drehte sich abrupt um
und ging davon. „John!“, rief Paul ihm nach, „John Wittling! Das können Sie
nicht ernst gemeint haben! John!“ Doch John reagierte nicht, sondern zerrte
unter der Plane des anderen
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