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Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition)

Titel: Das Leuchten der purpurnen Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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tobte vor Wut. Er hieb ihm erneut auf den Hals, doch plötzlich
    gelang es Kurt, sich loszureißen. Er machte einen Satz auf Hassan zu. Der
    konnte gerade noch zur Seite springen, und griff in die Falten seines Gewands
    zur Waffe, doch da war Kurt schon an ihm vorbeigaloppiert. Inmitten einer
    Staubwolke wurde er immer kleiner, bis er schließlich in der Weite der Ebene
    verschwunden war.
    Niemand sagte etwas.
    Emma sah zu Esmeralda, deren mächtiger Hals schlaff im Sand lag, das verbundene
    Bein seltsam verdreht. Es würde nicht lange dauern, bis Raubvögel und Dingos
    über den Kadaver herfallen würden, der eben noch ein Kamel mit dem klingenden
    Namen Esmeralda gewesen war. Hassan hatte sich als Erster wieder gefasst und
    ging zu seinen drei Lastkamelen. Sie zuckten zurück, als er sich ihnen näherte.
    Lieber Gott, flehte Emma, lass diese Reise endlich zu Ende gehen!
    Der Anstieg wurde
    steiler. Auf dem lockeren Sand, der von kleinen Steinchen durchsetzt war,
    rutschten die Rinder immer wieder aus. „Wenn wir nicht schneller werden,
    schaffen wir’s nicht!“, rief Paul auf einmal. „Wir brauchen heute unbedingt
    Wasser!“ Auf Pauls Uhr war es halb zwei. Bis sie zwischen den beiden
    Bergspitzen durchgezogen waren, brauchten sie in diesem Tempo sicher noch vier
    Stunden. Das hieß, sie müssten den Abstieg zum Wasserloch in der Dunkelheit
    machen, was sehr gefährlich wäre. Paul wandte sich Emma zu. „Wir schaffen’s
    nicht! Steig ab, du musst die Rinder vorne antreiben!“ Emma widersprach nicht.
    Die Anstrengung, sich auf dem Kutschbock zu halten, das Gerüttel und
    schließlich die Sache mit Esmeralda hatten sie willenlos gemacht. Also stieg
    sie ab und stolperte mit einer Gerte in der Hand an den Rindern vorbei zum
    linken der beiden vorderen Zugtiere. „Los!“, rief Paul, und Emma gab dem Rind
    einen Schlag in die Flanke, zog am Zügel, während Paul mit der langen Peitsche
    auf den Rücken der Tiere einhieb. Auch Johns Kamele wollten nach dem Schock
    nicht mehr weiter, und er musste ihnen ordentlich die Peitsche zu spüren geben.

    Unter ihrem groben Kleid
    lief Emma der Schweiß über die Haut. Haarsträhnen klebten ihr im Gesicht, und
    an ihren Füßen rieb sich der Sand, der schon jeden Zwischenraum in ihren
    knöchelhohen Lederschuhen ausfüllte. „Los!“, feuerte sie das Rind und sich selbst
    an und zerrte an dem Riemen, der am Nasenpflock befestigt war. „Los!“ Trotz der
    sicher großen Schmerzen stemmte das Tier beide Vorderbeine in den Sand und
    weigerte sich, noch einen einzigen Schritt zu tun. Doch die von Pauls
    Peitschenhieben angetriebenen Rinder hinter ihm, drängten und stießen es weiter
    nach vorn. So blieb ihm nichts anderes übrig, als weiterzutrotten. Meter für
    Meter Weg mussten sie den Tieren abringen. Immer wieder blieb das vordere Rind
    stehen, Emma zog und zerrte, die folgenden Rinder schoben und drängen von
    hinten.
    Emma warf einen Blick
    hinauf zu dem Busch, der den Durchgang zwischen den Hügeln markierte. Wie
    sollten sie es jemals bis dorthin und dann noch hinunter schaffen? Ihr Hals war
    trocken, sie hatte bohrende Kopfschmerzen, ihr wurde abwechselnd glühend heiß
    und eiskalt, ihre Fersen und Zehen waren aufgerieben, und das Schwindelgefühl
    wurde immer stärker. Sie war krank. Sie hatte Fieber, daran zweifelte sie nicht
    mehr. Doch das musste niemand wissen, und so zerrte sie stolpernd das unwillige
    Rind weiter. „Hoh!“, schrie sie und zerrte am Zügel. „Wir müssen schneller
    werden!“, schrie Paul immer wieder und hieb wütend auf die Tiere ein.
    Emma verlor jedes
    Zeitgefühl. Wie in Trance quälte sie sich den Hügel hoch. Plötzlich drängte das
    störrische Rind mit einem unerwartet großen Schritt vorwärts, sodass Emma
    stolperte und das Gleichgewicht verlor. Sie wollte sich irgendwo festhalten,
    doch da war nichts ... und dann nahm sie alles nur noch schemenhaft wahr: Wie
    sie fiel ... wie die mächtigen schwarzen Körper der Tiere auf sie zu walzten
    ... wie sie sich schon von ihren Hufen zerquetscht glaubte ... wie sie sich
    dann reflexartig krümmte und zur Seite rollte ... und wie die hämmernden Hufe
    um Haaresbreite an ihr vorbeitrampelten. Erst als jemand den Arm unter ihren
    Kopf legte und sie in Johns Augen sah, begriff sie, was gerade geschehen war.
    Sie konnte sich nicht mehr beherrschen und wurde von einem Weinkrampf geschüttelt.
    John kniete am Boden und
    hielt Emma, die sich laut schluchzend an seinen Arm geklammert hatte.

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