Das Leuchten der schottischen Wälder
aufgewachsen, sie kennt Land und Leute, und das ist doch am wichtigsten. Wer würde denn sonst in Broadfield eine Praxis aufmachen.“
„Aber doch nicht ein Weib. Seid ihr von allen guten Geistern verlassen?“
Der Wirt mischte sich ein. „Eine ganze Gegend ohne einen einzigen Arzt, das ist unmöglich, was sollen die Touristen sagen, wenn sie sich wirklich mal in die Gegend um Benderloch verlaufen und medizinische Hilfe brauchen?“
Der Ranger, verblüfft und verwirrt von der aufgebrachten Stimmung im Pub, erinnerte sich an die Frau, der er aus dem Graben geholfen und die ihm gesagt hatte, dass sie Ärztin sei. Er zuckte mit den Schultern, ihm konnte das egal sein. Er brauchte keinen Arzt, ihn heilte die Natur und allenfalls ein Tee von Colleen in ihrem kleinen Cottage. Er setzte sich zu seinen Arbeitern an den Tisch, bestellte sein Ale und fragte den Wirt, als der den Krug vor ihn hinstellte: „Warum regen sich die Männer so auf? Die sind doch sowieso nie hier. Und den Frauen und Kindern wird es vielleicht sogar lieber sein, wenn eine Frau sie behandelt.“
„Na ja, am meisten ärgern sie sich, dass sie nicht gefragt wurden und dass der Gemeinderat so begeistert ist, ohne ihre Zustimmung eine Nachfolgerin gefunden zu haben.“
Patrick wurde hellhörig. Das Barometer stand also auf Krieg. Da wird dieses Stadtpüppchen auf einiges gefasst machen müssen, dachte er, bezahlte sein Bier und stand auf, ohne mit seinen Arbeitern geredet zu haben.
„Chef, wohin willst du denn so schnell?“
„Ist mir zu laut hier, wir sprechen uns nächste Woche.“
Daheim wusste er schließlich, warum er eine schlaflose Nacht hinter sich hatte. Diese Großstadtpflanze will sich hier einnisten, dachte er aufgebracht, und ich kann sie dann ständig irgendwo aus dem Morast ziehen.
Verärgert drehte er den Wasserhahn ab, wickelte sich ein Handtuch um die Hüften und ging zurück ins Schlafzimmer. Aber als er die Hunde vor seinem Bett sah, musste er dennoch lachen und schickte sie hinunter in die Diele.
Er sah die junge Frau wieder in ihrem Höschen mitten auf dem Waldweg stehen und dann, wie sie sich durch ihr Wagenfenster zwängte. Gelenkig ist sie ja, dachte er. Ich mit meiner Größe von fast zwei Metern und neunzig Kilo hätte das niemals geschafft.
Er ging zum Schrank, suchte seine Wäsche heraus und zog sich saloppe Freizeitkleidung an. Es war Sonntag und der einzige Tag, an dem er auf die Uniform verzichten konnte, wenn nicht besondere Ereignisse auf dem Terminplan standen. Dankbar dachte er an Miss Lilly, die sich um den Haushalt kümmerte und immer dafür sorgte, dass das Essen pünktlich auf dem Tisch stand oder zum Aufwärmen fertig im Kühlschrank war, die sein Haus sauber hielt und die die Wäsche besorgte. Dabei wusste sie genau, dass er, wenn er im Försterhaus ankam, seine Ruhe haben wollte. Sie fuhr meist gerade mit dem Fahrrad davon, wenn er in die Einfahrt einbog.
Patrick ging nach unten und fütterte die beiden Hunde, dann brachte er seinem Pferd Hafer und Wasser. Als Letztes fütterte er die Hündin mit den Welpen. „Vielleicht könnt ihr nachmittags, wenn es wärmer wird, in den Zwinger“, tröstete er Shaica, die ihren Kopf an seinem Knie rieb.
Er sah sich im Stall um. Der Verschlag, in dem er oft verletzte Tiere pflegte, war leer. In diesem Winter hatte er nur ein junges Reh mit einer Wunde am Bein gefunden, das er wegen der Kälte und zum Entsetzen von Miss Lilly in seiner Küche untergebracht hatte, bis das Bein verheilt war. Er sah kurz hinauf zu dem Boden, auf dem das Heu für die Winterfütterung gelagert wurde. Die letzten Reste werden in den nächsten Tagen verteilt, überlegte er, es ist inzwischen warm genug, das Wild findet draußen sein Futter. Aber der Boden muss für den kommenden Winter gefegt und gereinigt werden. Das kann gleich morgen einer der Männer machen.
Draußen blieb er stehen und atmete tief ein. Wie Zuckerwatte hing feiner Nebel in den Baumkronen. Der Wald duftete und verströmte einen herben Geruch nach nassem Laub und Moos. Am Rand, wo die Sonne den Boden erreichte, begannen erste Farntriebe die Erde aufzubrechen. Er freute sich, wie an jedem Morgen, dass er hierhergezogen war. Das Forester’s House war sein Refugium: das gemütliche Haus, ein kleiner Garten mit Kräuterecke und Gemüsebeeten, die Miss Lilly versorgte, eine Bank mit einem Tisch gleich neben der Haustür und in der Morgensonne, rundherum nur Wald und Heide – hier war er zu Hause.
Er ging hinein, als
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