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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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erste Frühlingsblumen ums Überleben kämpften. Es roch durchdringend nach modrigen Pflanzen und feuchter Erde. Dornröschens Schloss, dachte er, als er sich den so genannten Garten besah. Dafür hat die junge Frau natürlich auch keine Zeit. Er ging zurück.
    Obwohl er sich dagegen sträubte, entwickelte er ein Gefühl von Sympathie für die fremde Frau, die hier nun eingezogen war.
    Mut hat sie, dachte er, sonst würde sie sich nicht auf dieses Abenteuer mit Alpakafarm und Arztpraxis einlassen. Sie kennt die alten Highlander nicht, sie hat ja keine Ahnung von der Sturheit der meisten Menschen. Die gehen doch nicht zu einer fremden Großstadtärztin. Die doch nicht! Ich lebe jetzt seit Jahren hier, aber persönliche Kontakte habe ich nur zu meinen Waldarbeitern und ein paar Männern wie dem Pfarrer, den Großbauern und den Bürgermeistern, die etwas weiter sehen als bis zu ihrem Tellerrand. Erstaunlich, dass die mit der Frau handelseinig wurden. Aber sie brauchen einen Arzt hier in der Nähe, und die Gemeinde hat kein Geld, um eine moderne Praxis anzubieten, kein Wunder also, wenn sie die Erste nehmen, die sich hier anbietet. Sie ist zwar hier groß geworden, aber man hätte sie warnen müssen. Er zuckte mit den Schultern. Ihn ging es ja zum Glück nichts an.
    Das Geräusch der kleinen Steine unter seinen Stiefeln erschien ihm überlaut. Dann hatte er den Garten wieder verlassen, bestieg sein Pferd und sah sich noch einmal nach dem Haus um. Das tief heruntergezogene Dach versprach Geborgenheit und Wärme. Er nickte, als wollte er sein Einverständnis signalisieren, dann ritt er davon.
    Der Briefkastenzeiger am Eingangstor war auf „Post“ gestellt. Er öffnete die kleine Klappe und entnahm dem Gehäuse einen Brief. Schon am Papier erkannte er, dass das Schreiben von seiner Mutter kam. Das gelbliche, fein gemusterte Büttenpapier war eines ihrer Markenzeichen und sollte dem Empfänger die Hochachtung zeigen, die sie für ihn empfand. Patrick grinste, faltete den länglichen Umschlag respektlos zusammen und steckte ihn in die Jackentasche. Dann nahm er sein Pferd am Zügel und führte die Stute in den Stall. Nachdem er sie abgesattelt, die Hufe kontrolliert und Futter in den Trog gefüllt hatte, rief er die Hunde und ging mit ihnen ins Haus.
    Erst am Abend, als er seine Hausjacke suchte, fiel ihm der Brief wieder ein. Er öffnete den Umschlag umstandslos mit einem Küchenmesser und entfaltete den Bogen. In ihrer feinen, zierlichen Schrift mit einem richtigen Federhalter – sie legt Wert auf Stil, dachte er –, schrieb sie:
    Dear Patrick,
    wie Du weißt, erlebt Dein Vater am 1. Juli seinen siebzigsten Geburtstag. Wir gedenken, diesen Tag mit einem großen, dreitägigen Fest zu feiern und erwarten Dich spätestens am 28. Juni im Schloss.
    Wenn Du Deinem Vater ein Geschenk zukommen lassen möchtest: Er sammelt alte schottische Seekarten.
    Es grüßt Dich, Deine Mutter
    Verärgert warf Patrick den Bogen auf den Küchentisch. „Typisch Mutter“, sagte er laut, „das ist keine Einladung, sondern ein Befehl. Und was ich mitzubringen habe, steht auch gleich dabei. Wo um Himmels willen soll ich hier am Benderloch antike Seekarten herbekommnen? Das bedeutet mindestens einen Tag Glasgow oder Edinburgh, um so etwas zu beschaffen. Und das mitten in der Hegezeit der Jungtiere.“
    Jogas und Basco verließen mit eingeklemmten Ruten die Küche und legten sich unter den großen Eichentisch in der Halle. Wenn der Chef laut wurde, suchte man sich besser einen geschützten Platz, das wussten die beiden sehr genau. Es passierte nicht oft, dass er so verärgert war, aber wenn, brachte man sich lieber in Sicherheit.
    Doch der Ärger dauerte bei Patrick McDoneral nicht lange. Er grinste bereits, als er die Hunde beobachtete und warf den Brief achtlos in den Mülleimer. Während er das Futter für die Pointer zubereitete, sah er das Schloss vor sich, wie es mächtig und dominant auf der Ebene über der Steilküste von Rattray Heat thronte. Ein grauer Klotz mit zahllosen Türmen, Zinnen und Wehrgängen, denn jeder Herrscher hatte im Laufe der Jahrhunderte Anbauten hinzugefügt. Ein stilloses, abweisendes Gemäuer ohne Harmonie und Schönheit. Mein Zuhause, dachte er und stellte den Hunden ihr Futter hin.

Kapitel 8
    Lena hatte große Probleme. Die Dorfbewohner mieden ihre Praxis, Ellen hatte noch keinen Gehilfen für die Farm gefunden, und die Alpakaherde wartete dringend auf den Zehenschneider, aber, und das war das Schlimmste, Lena

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