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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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groß, da brauche ich eher einen gutgefüllten Heuboden als eine gutgefüllte Speisekammer, das ist ganz sicher.
    Als sie am späten Nachmittag zurück ins Haus ging, hatte sie Mühe, die Beine zu heben und die Arme zu bewegen. Jetzt eine Dusche und dann runter und die Herde reinholen, überlegte sie, aber ob ich den Hügel dann noch einmal hochkomme, weiß ich nicht. Es gibt keinen Knochen in meinem Körper, der mir nicht wehtut.
    Trotzdem freute sie sich, als sie ihr Zuhause betrat. Die Eltern haben das wirklich gut gemacht, dachte sie, die Aufteilung ist praktisch und das Haus gemütlich.
    Innen war es in zwei Bereiche geteilt. Links vom Flur, der von der Haustür bis zur Hintertür führte, befand sich die Praxis, rechts davon die Wohnung. Von dem großen Wohnzimmer, das fast das ganze Erdgeschoss einnahm und nur noch Platz für die Küche und zwei Wirtschaftsräume ließ, führte die Treppe ins Obergeschoss mit dem elterlichen Schlafzimmer, ihrem Kinderzimmer und einem großzügigen Bad. Am besten gefiel Lena die Verbindung von Küche und Wohnzimmer, die durch eine breite Falttür voneinander getrennt werden konnten, sonst aber eine gemütliche Einheit bildeten. Durch die Fenster mit den Butzenscheiben, die das Sonnenlicht brachen und tausend bunte Funken auf den Boden warfen, wirkte der Raum mit dem honighellen Holz der Decke und der Dielen behaglich und bequem.
    Lena hatte seit ihrer Studienzeit keine richtige Gemütlichkeit mehr erlebt. Hier, in ihrem alten, neuen Zuhause fühlte sie sich vom ersten Augenblick an wohl.
    Nach dem Duschen zog sie sich Jeans und eines der alten Arbeitshemden ihres Vaters an und ging nach draußen. Inzwischen wusste sie, welche Gatter geöffnet und welche geschlossen werden mussten, um die Herde in den Stall zu holen. Dann ging sie hinunter, rief die beiden Border Collies und befahl ihnen, die Herde nach oben in den Stall zu treiben. Stolz stellte sie fest, dass die Tiere gehorchten und die Herde langsam, vielleicht sogar etwas unwillig in den Stall trottete. Dann verschloss sie die Gatter und fütterte die Hunde, die sich zufrieden vor das Tor zum Laufstall legten und die Nachtwache übernahmen.
    Lena kochte sich einen großen Topf Spaghetti, öffnete eine Dose fertige Tomatensoße und setzte sich dann mit dem fertigen Essen auf einem Tablett und einem Glas Wein auf die Gartenbank hinter der Küche. Gott sei Dank haben die Eltern immer einen gewissen Vorrat an Lebensmitteln in der Speisekammer, dachte sie zufrieden und betrachtete den verwahrlosten Garten hinter dem Haus. Die reinste Wildnis, aber die musste noch warten. Der Anblick der Vorderfront ist wichtiger als das Hinterland, tröstete sie sich. Ich muss vor dem Haus einen guten Eindruck machen, was dahinter ist, geht niemanden etwas an. Der Abend wurde kühl, vom Benderloch herunter kam ein frischer Wind, der die Kälte der letzten Schneereste mitbrachte.
    Lena beschloss, noch einmal hinunter ins Dorf zu fahren um Ellen zu fragen, ob sie noch immer keinen Gehilfen für sie gefunden hätte. Da ihr kleiner Wagen einige Probleme auf der alten Dorfstraße hatte, fuhr sie sehr langsam. Etwa fünfzig Meter von Ellens Pub entfernt beobachtete sie, wie eine kleine Gänseherde gemächlich quer über die Dorfstraße watschelte. Sie hielt den Wagen an, um den Gänsen den Vortritt zu lassen, denn sie wusste von alten Redensarten, dass man eine Kuh ruhig überfahren könne – aber wer wagte das schon? –, dass man einer Gans aber niemals Schaden zufügen dürfe. Während sie geduldig wartete, kam aus einer Hofeinfahrt ein kleiner Junge auf seinem Fahrrad geschossen und fuhr ungebremst in die Gänseherde hinein. Der Junge fiel vom Rad, die Gänse stoben auseinander, und eine stürzte sich auf das Kind. Wild mit den Flügeln schlagend stieß sie mit dem harten Schnabel immer wieder auf den schreienden Jungen ein. Lena hastete aus dem Wagen, rannte auf die beiden zu und versuchte, mit Geschrei und wedelnden Händen das aufgebrachte Tier von dem Kind wegzutreiben. Als sie die beiden erreichte und der schwere Vogel endlich von dem Kind abließ und davonstob, sah sie, dass der Junge mehrere stark blutende Wunden am Kopf und im Gesicht hatte. Lena rannte zum Auto, holte ihren Arztkoffer, griff nach einer Decke und lief zu dem schreienden Kind zurück.
    „Ruhig, ganz ruhig, gleich tut’s nicht mehr weh.“ Sie bettete den Kopf auf die Decke und gab dem Jungen eine Beruhigungsspritze.
    Im gleichen Augenblick kam eine Bäuerin aus dem Haus

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