Das Leuchten der schottischen Wälder
gerannt und schrie: „Was machen Sie da? Halt, lassen Sie das! Das dürfen Sie nicht, das ist mein Kind.“
Lena zog die Spritze heraus und verpflasterte die Einstichstelle. „Beruhigen Sie sich. Ich bin die Ärztin. Ist der Junge gegen Tetanus geimpft?“
„Gehen Sie weg, hauen Sie ab.“ Die Frau warf sich auf den Jungen und nahm ihn in die Arme. „Bob, mein Bobby, was macht die Frau mit dir, was ist denn bloß passiert?“
Inzwischen kamen andere Frauen aus ihren Häusern, Kinder liefen herbei, und im Handumdrehen hatte sich ein Kreis laut debattierender Menschen um das Kind und die Mutter gebildet. Lena richtete sich auf. „Bitte helfen Sie, das Kind in mein Haus zu tragen. Ich bin Ärztin, ich muss die Wunden versorgen.“
„Nein“, schrie die Frau, „nein, mein Junge bleibt bei mir. Ruft Colleen. Die soll sich um die Wunden kümmern. Die da“, sie zeigte auf Lena, „die da hat ihm was gespritzt. Das darf sie doch gar nicht.“ Die Frau brach in Tränen aus, andere trösteten sie, zwei liefen davon um Colleen zu holen, andere hoben den weinenden Jungen hoch und trugen ihn in das Bauernhaus. Kinder lachten und schrien: „Der Gans hat ihn gebissen, die Gans hat ihn gebissen“, und hüpften im Kreis um die Stelle, an der man das Blut des kleinen Jungen auf dem Sand erkennen konnte.
Lena griff nach ihrem Koffer und der Decke und wollte den Frauen ins Haus folgen, doch die verwehrten ihr den Eintritt. „Nichts da“, rief eine. „Die Mutter bestimmt, und die hat nach Colleen gerufen.“
„Aber wer ist diese Colleen? Ich bin die neue Ärztin, der Junge muss unverzüglich behandelt werden, die Wunden sind schmutzig, vielleicht mit Gänsekot infiziert, das ist sehr gefährlich.“ Sie versuchte sich mit Gewalt an den Frauen vorbeizudrängen, kam aber nicht weiter.
„Sie haben ihm was gespritzt, das ist verboten, wenn die Mutter nicht zustimmt.“
„Es war keine Zeit zu verlieren. Der Junge hatte starke Schmerzen.“
Eine andere Frau schrie: „Gehen Sie endlich weg. Wir brauchen Sie nicht.“
Auf der Straße hielt ein Wagen, aus dem Sergeant Marloff stieg. „Was ist hier los? Was ist passiert?“ Er kam die Hofeinfahrt herauf und sah die Frauen an. Bevor eine antworten konnte, erklärte Lena:. „Bob, ein Glück, dass Sie kommen, ich sah, wie eine Gans einen kleinen Jungen angegriffen hat. Das Kind blutet stark, ich will ihm helfen, aber man lässt mich nicht. Man holt stattdessen eine Heilerin, während die Wunden unversorgt sind. Wenn der Junge nicht schnellstens behandelt wird, können sie lebensgefährlich werden.“
„Sie hat ihm was gespritzt, ohne die Mutter zu fragen“, unterbrach sie eine der Frauen.
Robert Marloff zögerte nicht. „Macht Platz, ich will mir den Jungen ansehen, und die Ärztin kommt mit.“
Unwillig murrend traten die Frauen zur Seite. Im Haus roch es muffig und nach Essensresten. „Macht mal Licht an und ein Fenster auf, hier erstickt man ja.“
Bobby lag im Wohnzimmer auf dem Sofa, unter seinem verletzten Kopf dicke, gestrickte Wollkissen. „Platz da.“ Seargant Marloff bückte sich zu dem Kind. „Wie geht’s dir denn, mein Kleiner?“
Aber der Junge sah ihn nur verstört an, Tränen liefen ihm über die Wangen.
„Kommen Sie bitte her, Lena, was kann man machen?“
„Wenn es die Mutter erlaubt“, Lena war vorsichtig geworden, „wenn es die Mutter erlaubt, sollte der Junge auf ein sauberes Laken auf den großen Tisch gelegt und die Lampe darüber angeschaltet werden, damit ich die Wunden versorgen kann.“
Die Mutter sah den Sergeant an, nickte respektvoll, holte ein sauberes Tischtuch aus der Anrichte, und Robert Marloff legte den Jungen auf den Tisch.
Lena beugte sich über ihn. „Es tut nicht weh“, erklärte sie dem verängstigten Kind, „ich wasche nur die Wunden mit etwas Wasser, und dann bekommen sie einen schneeweißen Puder und einen Verband.“
Sie sah den Sergeant an. „Bitte schicken Sie die Frauen nach draußen. Nur die Mutter kann bleiben.“
Murrend verließen die Nachbarinnen die Wohnstube, blieben aber vor der Tür stehen und debattierten weiter. Lena reinigte die Wunden am Kopf, desinfizierte sie und versorgte sie mit Puder und einem Verband. Die Wunden im Gesicht bekamen nach der Behandlung ein Pflaster.
„Ich möchte, dass der Junge ins Krankenhaus nach Barcaldine gebracht wird“, erklärte sie Robert Marloff. „Er muss beobachtet werden. Es könnte sein, dass trotz allem Infektionen auftreten, und gegen Tetanus ist
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