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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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passt auf.“
    Sie liefen Hand in Hand den Sandweg entlang, lachten, scherzten, und sahen aufgeschreckten Vögeln nach. Den Wildhüter Patrick McDoneral, der am Waldrand stand und ein paar Fahrradtouristen beobachtete, die mit Mountainbikes abseits der ausgewiesenen Wege ein wildes Rennen veranstalteten, sahen sie nicht.

Kapitel 16
    Der Notruf erreichte Lena Mackingtosh morgens um halb sieben. Wie an jedem warmen Tag lief sie inzwischen kurz nach Sonnenaufgang eine Joggingrunde. An diesem Morgen hatte sie gerade ihren Wendepunkt erreicht, machte ein paar Dehnübungen und begann im langsam ausklingenden Tempo mit dem Heimweg, als das Handy in ihrer Gürteltasche klingelte. Etwas atemlos meldete sie sich. „Hier Dr. Mackingtosh.“
    Zunächst verstand sie gar nichts. Irgendwo lief ein starker Motor, verschwommen hörte sie Männerstimmen und schließlich etwas deutlicher: „Kommen Sie schnell, Dr. Mackingtosh, hier hat es einen Unfall gegeben.“
    „Wo? Und was ist passiert? Sprechen Sie lauter.“
    „Ein Mann liegt unterm Baumstamm. Vielleicht ist er schon tot.“
    „Wo? Wo liegt der Mann? Wie komme ich dahin?“
    „Im Eulenwald hinter dem alten Schafstall, rechts vom Weg nach Kingsdon. Ich fahre da an die Ecke und warte auf Sie.“
    „Gut, ich hoffe, ich finde die Stelle. Dann bin ich in dreißig Minuten da.“
    Lena schaltete das Handy aus und lief schnell zurück zum Haus. Sandy, die ihr fröhlich um die Beine sprang, wurde in der Küche eingesperrt, da würde Amy sie finden und füttern. Lena griff nach ihrem Unfallkoffer und nach dem Sauerstoffgerät, stieg in den Geländewagen und fuhr los. Noch immer atemlos sah sie an sich hinunter: Turnschuhe an den nackten Füßen, graue, wadenlange Leggins, ein lose flatterndes T-Shirt und ein rosa Band im Haar. Meine Güte, überlegte sie, hoffentlich gibt das keinen öffentlichen Unfalltermin mit Polizei, Rettungswagen und Reportern. Ab morgen liegt ein sauberer weißer Arztkittel als Reserve im Wagen.
    Sie fuhr so schnell sie konnte. Zum Glück gab es noch keinen Verkehr auf der kleinen Straße. Dann bog sie in den Sandweg ab, von dem sie wusste, dass er am alten Schafstall vorbeiführte. Kurz danach begann der große Eulenwald, der fast bis an die zerklüfteten Berge des Creach Behainn reichte. Endlich tauchte der verfallene Schafstall auf. Daneben bemerkte sie einen Mann mit einem Fahrrad. Als er sie sah, winkte er heftig. Sie stoppte. Staub wirbelte auf. Der Mann ließ sein Fahrrad fallen und sprang zu ihr in den Wagen.
    „Sind Sie die Ärztin?“
    „Ja. Zeigen Sie mir den Weg, und erzählen Sie, was passiert ist.“
    „Wir sind acht Waldarbeiter und gehören zu einer Gruppe vom Wildhüter McDoneral. Aber der ist seit zwei Tagen in Glasgow bei einer Besprechung wegen der Lava-Wolken. Wir haben ihn gleich angerufen, und er gab uns Ihre Nummer. Er wollte auch gleich losfahren, hat er gesagt.“
    „Und was genau ist passiert?“ Lena fuhr vorsichtig. Der Weg wurde immer schlechter, Steine und Äste bedeckten die schmale Spur, die nun mitten durch den Wald führte.
    „Wir müssen Baumstämme auf einen Langholzwagen verladen. Das macht der Kran mit einer großen Greifzange. Und nun ist ein Stamm abgerutscht, den Abhang runtergerollt und auf Charles gefallen, der unten stand. Es ging so schnell, dass er nicht weglaufen konnte. Und wir wussten auch nicht, wo er genau stand.“
    Lena umfuhr ein ausgespültes Regenloch und ein paar dicke Baumwurzeln, die bis in den Weg hineinragten. „Und was haben Sie inzwischen gemacht?“
    „Wir haben versucht, den Stamm anzuheben, aber das haben wir nicht geschafft. Charles’ ganze linke Seite ist darunter begraben.“ Er sah sich um. „Wir sind gleich da.“ Dann zeigte er auf eine Spur im Waldboden. „Hier können Sie langfahren, das ist die Spur vom Kran. Da unten stehen die Männer.“
    Lena hielt hinter einem mit Baumstämmen beladenen Langholzwagen, griff nach ihrem Koffer und rutschte vorsichtig den Abhang hinunter. Unten angekommen empfing sie tiefes Schweigen. Mehrere Waldarbeiter standen um den Verletzten herum. Einer löste sich aus dem Kreis und kam auf sie zu. Verblüfft betrachtete er ihr Outfit, dann zog er die Mütze vom Kopf, reichte ihr die Hand und erklärte: „Ich bin Harry Wool, der Vorarbeiter.“
    Lena nickte. „Dr. Mackingtosh. Wann ist es passiert?“
    „Vor einer knappen Stunde. Wir haben Sie sofort angerufen. Und wir haben ihn nicht bewegt.“
    Der Verletzte war von Gestrüpp, Moosresten und

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