Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
Vom Netzwerk:
das Leben rettete. Der Mann hatte durch den Blutverlust bereits einen Schock. Sie sah es an der Blässe im Gesicht und an dem Schweiß, der sich auf seiner Stirn bildete. Einen Pulsschlag konnte sie kaum noch feststellen. Trotzdem war er bei Bewusstsein. Er lallte vor sich hin, ab und zu zuckten seine Hände, als wolle er wieder zuschlagen, und dann, ganz plötzlich, fiel sein Kopf zur Seite; er war ohnmächtig.
    Auf der Straße vor dem Haus bildete sich, von zwei Polizeiwagen angelockt, eine Traube neugieriger Menschen. Man hatte den weinenden Bob in die Mitte genommen und versuchte ihn zu trösten.
    Lena, die dem Mann im Augenblick nicht helfen konnte, kümmerte sich um die Frau, die noch immer auf dem Boden lag. Anscheinend hatte der Mann sie geschlagen und dabei eine Flasche auf ihrem Kopf zertrümmert. Sie hatte eine offene Wunde am Hinterkopf, Nasenbluten und eine blaurot angeschwollene Gesichtshälfte. Ein Schultergelenk war ausgekugelt, ein Fuß gebrochen. Lena versorgte die Wunde am Kopf, gab Tampons in die Nase gegen die Blutung und renkte dann das Schultergelenk ein, das der Frau anscheinend die meisten Schmerzen bereitete.
    Von draußen drang der Lärm eines landenden Hubschraubers ins Haus. Endlich kamen Sanitäter und ein Notarzt in die Küche. Lena schilderte die Verletzungen und ihre bisherigen Maßnahmen. Als die Männer zwei Tragen holten und zuerst den Bewusstlosen darauf betteten und festbanden, protestierte die Frau. „Ich will nicht ins Krankenhaus, ich will hier bleiben. Ich bleibe bei meinen Kindern“, sagte sie weinend. Der Notarzt sah Lena an. „Was soll ich machen?“
    Lena nickte. „Medizinisch kann ich mich um sie kümmern, ich wohne in der Nähe. Wir brauchen nur eine Pflegerin, aber die lässt sich im Dorf finden. Vielleicht ist es besser, sie bleibt in der gewohnten Umgebung.“
    Der Arzt nickte. „Dann nichts wie weg, der Mann stirbt mir sonst unterwegs.“
    Der Hubschrauber startete sofort. Die beiden Sergeants halfen, die Frau ins Bett zu bringen. Während Lena sie entkleidete und den Fuß bandagierte, meldeten sich zwei Frauen, die bereit waren, die Pflege zu übernehmen und sich um die Kinder und den Haushalt zu kümmern.
    Bevor die beiden Männer zurück auf die Wache fuhren, bat Lena sie, am nächsten Morgen noch einmal herzukommen. „Ich muss das Schultergelenk und den Fuß röntgen. Könnten Sie die Frau in die Praxis und wieder zurückbringen?“
    „Natürlich“, riefen beide, und, „meine Hochachtung, Dr. Mackingtosh, Sie haben ganz schön viel Mut. Mit dem Kerl hätte ich mich ohne Waffe nicht eingelassen. Der ist bekannt für seine Brutalität. Und Sie hatten nur den Arztkoffer als Hilfe. Aber morgen müssen wir das alles noch zu Protokoll nehmen, passt Ihnen das?“
    „Ja, jetzt bin ich nur noch müde. Ich kümmere mich um die Pflege der Frau und dann ab ins Bett.“
    „Ja, ja, ist ganz schön was los bei uns. Gestern das Unwetter und der Autounfall und die Feuer hier und auf der Brownsen-Farm, heute das Spektakel hier bei dem Bauern, wir kommen kaum noch raus aus der Uniform. Na, nichts für ungut, Dr. Mackingtosh, schlafen Sie mal richtig aus, wir passen schon auf. Aber so kurz vorm Wochenende, wenn die Lohnarbeiter heimkommen, gibt’s leicht mal Randale.“
    Die Männer schüttelten ihr die Hand, und Lena lächelte. Randale, dachte sie, ich würde eher von Mord und Totschlag sprechen.
    Eine Woche später, die Mutter von Bob hatte sich einigermaßen erholt, erfuhr Lena von Robert Marloff, dass der brutale Ehemann aus dem Krankenhaus entlassen und unter dem Verdacht des versuchten Totschlages in Untersuchungshaft genommen worden war.
    Als seine Frau das hörte, kam sie zu Lena in die Praxis. „Um Gottes willen, Miss Mackingtosh, Sie müssen uns helfen. Man kann doch meinen Mann nicht einsperren. Wovon sollen wir leben, wenn er kein Geld mehr verdient?“
    Verblüfft stand Lena der Frau gegenüber. „Aber er hätte Sie fast umgebracht. Es ist lebensgefährlich für Sie und die Kinder, mit ihm in einem Haus zu wohnen.“
    „Aber er ist doch bloß selten zu Hause. Und wenn er trinkt, muss man halt aufpassen.“
    „Ja, das habe ich erlebt, wie gut Sie aufgepasst haben. Wäre Bob nicht zu mir gekommen, wären Sie heute tot.“
    „Ja, ja, ich weiß, aber nun geht das Leben doch weiter, und die Polizei wird ihn schon zurechtgestutzt haben. Wenn er wieder nüchtern ist, wird ihm alles leid tun. So ist er immer. Können Sie nicht ein gutes Wort einlegen?“
    Lena

Weitere Kostenlose Bücher