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Das Leuchten der schottischen Wälder

Das Leuchten der schottischen Wälder

Titel: Das Leuchten der schottischen Wälder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christa Canetta
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schüttelte entschieden den Kopf. „Da helfen meine Worte gar nichts. Die Polizei hat alles gesehen, und wenn die Beamten als Zeugen aussagen, kann kein Mensch ihn vor einer gerechten Strafe schützen.“
    „Dann kann ich mir gleich einen Strick nehmen, das ist dann wenigstens menschlicher als das langsame Verhungern. Wenn meine Kinder nicht wären, ich …“
    „Schon gut, Sie brauchen mir Ihre Situation nicht weiter zu schildern. Ich verspreche Ihnen, dass Sie nicht verhungern werden. Ich werde mit Amy sprechen, und ab morgen werden wir alle Lebensmittel, die wir brauchen, bei Ihnen kaufen. Sie haben einen Gemüsegarten, Hühner, Gänse, Kaninchen und Obst, und irgendwann können Sie bei uns im Garten aushelfen und etwas Geld verdienen. Sie sehen, das Leben geht weiter.“
    „Ich kann auch nähen und flicken.“
    „Na also, wo ist dann das Problem? Gemeinsam schaffen wir das. Und wenn ich mit Ellen vom Pub rede, braucht sie bestimmt auch mal eine Aushilfe.“
    Beruhigt verließ die verängstigte Frau wenig später die Praxis, und Amy kam mit glänzenden Augen zu ihrer Chefin. „Toll, wie Sie das gemacht haben, einfach toll, Dr. Mackingtosh.“
    Dass Amy gern schwatzte, wusste Lena, dass der Dorftratsch aber auch sehr hilfreich sein konnte, hatte sie nicht gewusst. Wenige Tage nach dem Besuch der Bäuerin hatte sich im Dorf herumgesprochen, dass die Frau Hilfe brauchte und was die Ärztin dazu gesagt hatte, und plötzlich konnte sich die Bäuerin kaum noch vor Anfragen retten. Dabei waren die Dörfler sehr behutsam mit ihren Angeboten und baten nur um kleine Hilfen. Geld hatte schließlich keiner, aber helfen wollten sie alle.
    „So ist das eben in den Highlands“, erklärte Amy ihrer Chefin.

Kapitel 23
    Wie verabredet holte der Ranger die Ärztin am 30. Juni, einen Tag vor dem Geburtstag des Earl of Archestown, in Broadfield ab. Er kam morgens vor Sonnenaufgang, denn er wollte auf der Fahrt einen Abstecher nach Edinburgh machen, wo er die antiken Seekarten für seinen Vater bestellt hatte.
    Lena genoss die Fahrt. Sie wollte die drei Tage als einen Kurzurlaub betrachten und weder an Arbeit noch an Verpflichtungen denken. Tom war draußen bei den Alpakas, die er sehr verantwortungsvoll betreute, und Amy hatte ihr versprochen, zusammen mit ihrem Mann auf Sandy, das Haus und die Farm aufzupassen.
    Auch über ihre Garderobe hatte Lena sich wenig Sorgen gemacht. Sie besaß ein elegantes, ärmelloses schwarzes Kleid mit einer Paillettenbordüre am runden Halsausschnitt und einer dazu passenden Stola für kühle Stunden. Sie hatte das Kleid schon mehrmals in Glasgow getragen und sich immer wohl darin gefühlt, weil es nicht auffallend, sondern schlicht und trotzdem elegant war. Warum soll ich Geld für ein neues Kleid ausgeben, wenn das hier im Schrank hängt, hatte sie überlegt, denn wann habe ich in Broadfield schon einmal Gelegenheit, so etwas Besonderes zu tragen.
    Sie lehnte sich zufrieden zurück und freute sich über die sichere und angenehme Fahrweise des Rangers. Gesprochen wurde kaum. Der Mann konzentrierte sich auf den morgendlichen Berufsverkehr, und ein großer Redner war er sowieso nicht.
    In Edinburgh half sie, die Anschrift des Antiquariats zu finden und sorgte auch in dem Geschäft dafür, dass die wertvollen Karten entsprechend geschmackvoll eingepackt wurden. Erst als sie gegen Mittag Edinburgh verlassen hatten und nun nach Nordosten zur Küste hin unterwegs waren, wurde der introvertierte Ranger gesprächiger. Er zeigte ihr Sehenswürdigkeiten, an denen sie vorbeikamen, wies auf berühmte Schlossruinen und verfallene Abteien hin und zeigte ihr Naturreservate, in denen Bekannte von ihm als Ranger tätig waren.
    Lena, die sich schon seit dem Aufbruch am Morgen wunderte, dass Patrick McDoneral in voller Montur unterwegs war, nutzte die Gelegenheit und fragte: „Warum fahren Sie zu diesem Familienfest eigentlich in Uniform?“
    Der Mann grinste etwas verlegen. „Ich will damit deutlich machen, dass ich einen festen Beruf habe und für andere Tätigkeiten nicht zur Verfügung stehe.“
    Lena sah ihn verblüfft an. „Andere Tätigkeiten? Was meinen Sie damit?“
    „Nun, zum Beispiel die Verwaltung einer Grafschaft.“
    „Und wer will Sie damit beauftragen?“
    „Meine Eltern natürlich. Sie sind und waren gegen meinen Beruf als Wildhüter. Sie wollen, dass ich endlich meine Pflichten gegenüber meiner Herkunft und meiner Familie wahrnehme.“
    „Dann ist die Uniform so etwas wie eine

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