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Das Leuchten

Das Leuchten

Titel: Das Leuchten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kat Falls
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Blaumann und einer Wollmütze, die ich bis zu den Augen heruntergezogen hatte. Ich machte mir weniger Sorgen, von einem der Gäste erkannt zu werden, als vielmehr vom Personal. Die Handelsstation gab es seit zehn Jahren und in der Zeit hatte ich viele der Angestellten kennengelernt.
    Wir traten auf einen Steg, vier Stockwerke über der Ebene, auf der sich der Saloon befand.
    Gemma fragte verwundert: »Weshalb sind wir hier oben?«
    »Das ist der Bienenkorb. Hier wolltest du eine Koje mieten, weißt du noch?« Ich zeigte auf die Einstiegsluken aus Glas, die sich wie Waben aneinanderreihten. Gemma zögerte, deshalb sagte ich: »Vier Eisentreppen unter uns ist der Saloon.«
    Obwohl ich seit Jahren nicht mehr in diesem Stockwerk gewesen war, kannte ich mich gut aus, denn als mein Vater den Bau der Handelsstation überwacht hatte, hatte ich hier nach Herzenslust gespielt. Damals hatte das Freizeitdeck einen freundlichen Eindruck auf mich gemacht mit den Fenstern, die vier Stockwerke hoch waren, und dem fantastischen Ausblick. Der Ausblick war noch derselbe, aber das Geschrei und das Klirren der Biergläser machten den freundlichen Eindruck zunichte.
    Ich trat ans Geländer und sah hinab zum Saloon. Es war, als blickte man in ein Becken voller Aale, nur dass bei Aalen nicht ständig Feuer aufblitzten. Die Zigarren aus Seegras mussten immer wieder von Neuem angezündet werden, deshalb war an jedem Tisch ein kleiner Brenner eingebaut. An der Bar drängelten sich die Männer. Trotzdem würde ich lieber Schulter an Schulter mit angetrunkenen Spielern oder Ölsuchern da unten sitzen als mit einem stinkreichen Topsider. Ich schaute zu Gemma hinüber. Sie war ungewöhnlich blass.
    »Kommen dir langsam Zweifel?«, fragte ich sie.
    Sie warf mir einen finsteren Blick zu wie ein Einsiedlerkrebs, der seine Muschel verteidigt.
    »Mach dir nichts draus, du wirst dich gleich wie zu Hause fühlen«, neckte ich sie. »Mit all den Menschen und dem Krach könnte das glatt das Festland sein.« Sie drückte sich noch tiefer in die Aufzugnische. »Was ist los?«
    Sie zog eine Grimasse und zeigte auf den Steg. Das Metallgitter war so feinmaschig, dass man, obwohl noch zwei Stege darunterlagen, bis zum Saloon hinuntersehen konnte. Mit den schmalen Tragseilen und schlanken Geländern wirkte die Konstruktion wie ein provisorisches Gerüst.
    »Du bist der leichteste Mensch, der diesen Steg je betreten hat.« Ich stampfte mit dem Fuß auf. Der Steg bebte, was ein gutes Zeichen war. Jedes Bauteil in der Handelsstation war so konstruiert, dass es ein wenig nachgab. Manche mehr, manche weniger. Das Oberdeck beispielsweise löste sich automatisch vom unteren Teil der Station, wenn in den tieferen Etagen Wasser eindrang. Aber irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, dass dieser Gedanke Gemma beruhigen würde.
    »Schau, alles ist völlig sicher«, sagte ich und verlagerte mein Gewicht von einer Seite auf die andere, sodass der Steg ins Schwingen geriet. Auch das war ein gutes Zeichen für die stabile Bauweise, aber Gemma lehnte sich weiter gegen die Aufzugtüren.
    »Ich dachte, du wolltest deinen Bruder finden.«
    Sie wagte vorsichtig ein paar Schritte in meine Richtung.
    »Mist!«, murmelte ich vor mich hin. Gerade hatte ich die Chance vertan, sie von hier wegzulotsen, und das nur, weil ich ihr beweisen wollte, wie sicher die Konstruktion meines Vaters war. Ich hüpfte auf Zehenspitzen auf und ab und brachte den Steg noch mehr in Bewegung. »Es ist tatsächlich ein bisschen zu wackelig.«
    »Geh endlich weiter!«, fuhr sie mich an.
    Ich zuckte die Achseln. Gegen eines der Halteseile gelehnt sah ich zu, wie sie jetzt an der langen Reihe von Schlafkammern vorbeiging.
    Unter uns waren Schritte zu hören und eine Stimme bellte: »Verschwinde aus meiner Koje!«
    Ich schaute zwischen meinen Füßen hindurch und sah zwei Männer auf dem Steg unter uns. Einer von ihnen war Lefty Hathaway, der Besitzer des Bienenstocks.
    »Das ist nicht mehr deine Koje«, knurrte Lefty den Mann an, der ihm gegenüberstand.
    Außer die Übernachtungsgebühr einzusammeln und die Kojen zu reinigen, hatte Lefty nicht viel zu tun. Der Bienenstock war das ultimative Einzelzimmerhotel, wobei die Zimmer kaum größer waren als ein Sarg. Schürfer mieteten sie für eine Nacht an, wohingegen die Bergwerksgesellschaften komplette Zimmerreihen buchten; ihre Minenarbeiter wohnten das ganze Jahr über in diesen engen Röhren.
    Unter uns wurde der Streit immer heftiger. Gemma atmete schneller, als

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