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Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen

Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen

Titel: Das Lexikon der daemlichsten Erfindungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felix R. Paturi
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Krankenhäuser, Ärzte, Geschäfte,
     Restaurants und sonstige lebendige soziale Infrastruktur. Niemand will nach Kangbashi ziehen, auch heute nicht, wo die Regierung gerne den alternativen
     Ortsnamen Ordos gebraucht, was so viel bedeutet wie Schlossanlage. Die Wohnungen stehen leer, im Opernhaus gibt es kein Musiktheater und im gigantischen
     Stadtverwaltungskomplex sind nur wenige Büros belegt.
    Dennoch leben heute 2000 oder 3000 Menschen in der Möchtegernmetropole: Sicherheitspersonal, Bauarbeiter und eine Handvoll Verwaltungsfachleute und Polizisten. Sie alle sind quasi zwangsverpflichtet. Wie kam es zu dieser gewaltigen Fehlplanung? Nun, um das Jahr 2000 entdeckten Prospektoren im Umfeld des heutigen Kangbashi riesige Kohle- und Erdgasvorkommen. Da dachte sich die chinesische Regierung wohl: Hier bauen wir ein zweites Dubai. Aber eine Stadt ist eben etwas Lebendiges. Sie wächst von selbst, oder sie wächst eben nicht. Man kann Städte nicht erfinden. Das mussten auch schon andere Planer von Retortenstädten erleben und das Phänomen ist keineswegs neu.
    So sollte in Taiwan die Stadt San Zhi entstehen, ein Wohndorado und Erholungsort für Reiche. Aber als sich die stylischen Kugelhäuser gerade der Fertigstellung näherten, stellte sich heraus, dass die Baupläne erhebliche statische Mängel aufwiesen. Also stellte man die Arbeiten kurzerhand ein, und fertig war die Geisterstadt.
    Vor 1974 entstand auf der Insel Zypern die moderne Touristenstadt Varosha mit elitären Ferienresorts und Hotelanlagen. Varosha galt für kurze Zeit als eines der luxuriösesten Reiseziele im Mittelmeerraum. Bis 1974 die Türken einmarschierten und das Militär die Luxusstadt kurzerhand mit Stacheldrahtverhauen dichtmachte. Seither ist es eine Geisterstadt, was in diesem Fall zumindest die Naturschützer freut, denn neben den Geistern wohnen heute seltene Meeresschildkröten an den verlassenen Stränden. Es ließen sich noch viele Beispiele moderner Geisterstädte anführen, aber als wahnwitzigster Fehlgriff gigantomaner Planwirtschaft steht Kangbashi weltweit an einsamer Spitze.

Käserollen am Cooper’s Hill
    Vieles in England hat Tradition. Auch Unsinniges, und dazu gehört auf einem der vordersten Plätze das Käserollen am Cooper’s Hill, einem grasigen Hügel in der Nähe von Brockworth in der Grafschaft Gloucestershire. Angeblich hat dieses Spektakel sogar eine sehr lange Tradition. Sie soll bis in die Römerzeit zurückreichen. Wirklich sicher nachgewiesen ist es indes erst seit rund zwei Jahrhunderten. Damals war es ein Mittsommerfest, heute ist der Termin auf den 15. Mai verlegt.
    Hört ein etwas älterer Zeitgenosse in Deutschland etwas von Käserollen, denkt er meist spontan an den um 1928 von Altmeister Franz Straßmann verfassten Onestep-Gassenhauer»Wer hat bloß den Käse zum Bahnhof gerollt? Das ist ’ne Frechheit, wie kann man so was tun? Denn er war noch nicht verzollt!«
    Kein Wunder, dass der Käse schneller rollt!
    Der Zoll kommt am Cooper’s Hill sicher nicht ins Spiel. Aber die Frage »Wie kann man so was tun?« stellt sich dafür umso dringlicher, denn das Käserollen   – es handelt sich um einen Laib Gloucester-Käse   – ist purer Wahnsinn. Der Hang, den der 3,5   Kilogramm schwere Laib hinabrollt, ist stellenweise bis zu 45 Grad steil, was einem Gefälle von 70 Prozent entspricht. Er ist überaus holprig und mit Gras bewachsen, das bei Regenwetter sehr rutschig wird. Startet der Käse, gibt man ihm einen minimalen Vorsprung vor seinen menschlichen Verfolgern. Den nutzt er reichlich, denn bald wird er bis zu 110 km/h schnell. Ihm hinterher stürzt sich eine Lawine von Männern und Frauen den Steilhang hinab. Auf den Beinen bleibt dabei niemand lange, nun überkugeln sich die Menschenleiber oder rutschen einfach weiter in die Tiefe. Es kommt zu Zusammenstößen, und manchmal sieht man, wie ein Todesmutiger von einer Unebenheit am Grashang regelrecht in die Luft geschleudert wird, bevor er wieder auf den Boden fällt und weiterstürzt. Prellungen, Abschürfungen, offene Verletzungen sind noch das geringste Übel. Knochenbrüche und Kopfverletzungen sind nicht selten bei diesem Wahnsinnsspektakel. 1997 zählte die stets gegenwärtige St. John Ambulance nicht weniger als 33 Schwerverletzte.
    Im Grunde geht es darum, den Käse einzuholen. Das aber ist physikalisch schlicht unmöglich, denn ein Käserad, das rollt, stabilisiert sich durch die sogenannten Kreiselkräfte, es kann deshalb nicht umkippen

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