Das Licht der Phantasie
steckt dahinter?«
»Keine Ahnung«, erwiderte der Zauberer.
»Der Stern wird kleiner«, verkündete Bethan.
Wie aus weiter Ferne hörte Rincewind Zweiblums Stimme, die sich mit dem kleinen Dämon im Bildkasten stritt. Es handelte sich um eine technische Diskussion, bei der es unter anderem um Tiefenschärfe und die nicht ganz unwichtige Frage ging, ob dem verdrießlichen Pinselschwinger noch genug rote Farbe zur Verfügung stand.
An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden, daß Groß-A'Tuin sehr glücklich und zufrieden war, und wenn sich solche Gefühle in einem Gehirn von den Ausmaßen mehrerer großer Städte bilden, kommt es zu gewissen Emissionen. Was nicht ohne Konsequenzen blieb: Die meisten Bewohner der Scheibenwelt befanden sich in einem geistigen Stadium, das man normalerweise nur mit jahrzehntelanger hingebungsvoller Meditation oder dreißig Sekunden nach der Einnahme verbotener Kräuterelixiere erreicht.
So ist das eben mit Zweiblum, dachte Rincewind. Man kann nicht behaupten, er wisse keine Schönheit zu schätzen. Er bewundert sie nur auf seine eigene Art und Weise. Ich meine: Wenn ein Dichter eine besonders prächtige Narzisse sieht, preist er sie mit eindrucksvollen Reimen. Zweiblum aber würde sich auf die Suche nach einem Lehrbuch über Botanik machen – und es von vorne bis hinten durchlesen. Cohen hat recht. Der Tourist beobachtet schlicht und einfach, aber was er ansieht, scheint sich irgendwie zu verändern. Und ich nehme an, das trifft auch auf mich zu.
Die Sonne der Scheibenwelt ging auf. Der rote Stern schrumpfte immer mehr und konnte kaum noch mit ihr konkurrieren. Gutes, zuverlässiges Scheibenweltlicht strömte über die stille Landschaft, wie ein Meer aus Gold.
Oder goldenem Sirup gleich, wie jemand behauptet hätte, der größeren Wert auf metaphorische Genauigkeit legte.
D ies ist ein genügend dramatisches Ende, aber im wirklichen Leben kann man die einzelnen Kapitel nur selten an der richtigen Stelle beenden, und es mußten noch einige andere Dinge geschehen.
Man denke nur ans Oktav.
Als Sonnenlicht über das Buch tropfte (Sirup, erinnern Sie sich?), klappte es zu und kehrte zum Turm zurück. Viele Zuschauer begriffen plötzlich, daß ihnen der magischste aller magischen Gegenstände auf der Scheibenwelt entgegenfiel.
Das Gefühl der Glückseligkeit und allgemeiner Kameradschaft verdunstete zusammen mit dem Morgentau. Rincewind und Zweiblum wurden einfach zur Seite gestoßen, als Dutzende von Personen vorstürmten, übereinander hinwegstiegen und gierig die Hände ausstreckten.
Das Oktav verschwand im Zentrum der schreienden Menge. Rincewind vernahm ein lautes und ziemlich energisches Knallen, das Assoziationen an einen gewölbten Deckel weckte, der nicht geneigt war, sich öffnen zu lassen.
Der Zauberer krabbelte auf allen vieren umher, starrte an einigen Beinen vorbei und sah Zweiblum.
»Ich habe da eine ganz bestimmte Vermutung«, sagte er und lächelte schief.
»Welche?«
»Wenn du deinen Koffer öffnest, findest du bestimmt nichts weiter als saubere und nach Lavendel duftende Wäsche.«
»Lieber Himmel!«
»Nun, ich glaube, das Oktav kann auf sich selbst achtgeben. Außerdem befindet es sich jetzt an einem sehr sicheren Ort.«
»Wahrscheinlich hast du recht. Nun, manchmal habe ich das Gefühl, die Truhe weiß ganz genau, was sie tut.«
»Ich weiß, was du meinst.«
Sie krochen von dem lärmenden Durcheinander fort, standen auf, klopften sich den Staub von der Hose und hielten auf die Treppe zu.
»Was stellen die Leute jetzt an?« fragte Zweiblum, wippte auf den Zehenspitzen, reckte den Hals und versuchte, sich ein Bild von der aktuellen Lage zu machen.
»Offenbar trachten sie danach, die Kiste aufzubrechen«, sagte Rincewind.
Es knallte erneut, und ein dumpfer Schrei erklang.
»Ich glaube, der Koffer findet großen Gefallen an der ihm geltenden Aufmerksamkeit«, brummte Zweiblum, als sie vorsichtig die ersten Stufen hinter sich brachten.
»Ich schätze, sein Appetit dürfte für eine Weile gestillt sein«, entgegnete Rincewind. »Was mich angeht, so würde ich jetzt gern eine Schenke aufsuchen und uns zwei ordentliche Drinks bestellen.«
»Gute Idee.« Der Tourist nickte. »Ich genehmige mir ebenfalls zwei.«
Z weiblum erwachte gegen Mittag. Er konnte sich nicht daran erinnern, warum er auf einem Heuboden lag und einen Mantel trug, der ihm gar nicht gehörte, aber er verdrängte diese Überlegungen sofort wieder und konzentrierte
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