Das Licht der Phantasie
mich nicht umbringt… Schlimmer kann das Bier ohnehin nicht werden.«
Er nahm einen großen Schluck und fühlte dabei alle Blinke auf sich ruhen.
»Hm«, brummte er. »Nun, eigentlich ist es gar nicht so ü…«
Irgend etwas riß Rincewind hoch und schleuderte ihn davon. Gleichzeitig aber saß er nach wie vor in der Jurte am Feuer. Er sah sich selbst: Eine rasch kleiner werdende Gestalt am Rande der flackernden Glut. Cohen beobachtete seinen Körper, wirkte wie eine zerbrechliche Puppe. Die alte Frau allerdings… Sie hob den Kopf, sah ihn an und lächelte.
D ie Ordensleiter der Unsichtbaren Universität lächelten keineswegs. Sie begriffen allmählich, daß sie mit einem völlig neuen Problem konfrontiert wurden, das ihnen nicht unerhebliche Sorgen bereitete: ein junger Mann, der Karriere machte.
Nun, niemand von ihnen wußte genau, wie alt Trymon war, aber in seinem dünnen, dunklen Haar zeigten sich noch keine grauen Strähnen, und wenn man die eher wächserne Haut bei trüben Licht betrachtete, erweckte sie den Anschein blühender Jugend.
Die sechs überlebenden Oberhäupter der Acht Orden saßen an einem langen, glänzenden und neuen Tisch in dem Zimmer, das einst Galder Wetterwachs als Werkstatt gedient hatte. Und jeder von ihnen fragte sich, aus welchem Grund sie den Wunsch verspürten, Trymon in den Allerwertesten zu treten.
Man konnte ihn nicht als ehrgeizig und grausam bezeichnen – grausame Männer waren dumm, und die alten Zauberer verstanden sich darauf, solche Idioten für ihre eigenen Zwecke zu benutzen. Und was Ehrgeiz anging: Es mangelte ihnen nicht an Erfahrung, übertriebene Ambitionen in eine für sie ungefährliche Richtung zu lenken. Wenn man für längere Zeit ein Magier im Achten Rang bleiben wollte, mußte man diese Art von mentalem Judo beherrschen.
Die Beschreibungen blutrünstig, machtgierig und listig trafen ebenfalls nicht auf Trymon zu. Selbstverständlich handelte es sich bei solchen Eigenschaften nicht unbedingt um Nachteile für erfolgreiche Zauberer. Im großen und ganzen gesehen waren Magier nicht listiger als, zum Beispiel, Steuerfahnder. Andererseits: Sie nahmen ihre hohe Stellung nicht in erster Linie aufgrund magischer Verdienste ein, sondern weil sie nie zögerten, von den Schwächen eines Rivalen zu profitieren.
Trymon zeichnete sich auch nicht durch besondere Klugheit aus. Jeder Zauberer hielt sich für ein Genie, für den Besten der Besten – das lag in der Natur der Sache.
Er besaß auch kein Übermaß an Charisma. Die sechs Magier erkannten solche Ausstrahlungskraft auf den ersten Blick (diese Fähigkeit gehörte zu ihrer Überlebenskunst), und Galder Wetterwachs’ Nachfolger hatte soviel Charisma wie ein Stück Torf.
Genau darin bestand das Problem.
Trymon war weder gut noch böse, weder grausam noch in irgendeiner Weise extrem. Er machte graue Durchschnittlichkeit zu einer erhabenen Kunst, und in seinem Bewußtsein herrschte die gleiche dunkle, gnadenlose Logik wie in einer Beamtenseele.
Jeder der sechs Zauberer hatte in der Privatsphäre eines magischen Oktagramms Dutzende von feuerspuckenden, krallenbewehrten und tigerartigen Dämonitäten kennengelernt, aber als Trymon den Raum betrat, fühlten sie sich unbehaglicher als zuvor.
»Es tut mir leid, daß ich mich verspätet habe, geehrte Anwesende«, log er und rieb sich zufrieden die Hände. »Es gibt viel zu tun, eine Menge zu organisieren – ihr wißt ja, wie das ist.«
Die Zauberer wechselten besorgte Blicke, als Trymon am Kopfende des Tisches Platz nahm und in einigen Papieren blätterte.
»Was ist mit Galders Stuhl passiert?« fragte Jiglad Wert. »Ich meine denjenigen mit den Löwenarmen und Entenfüßen.« Er war ebenso verschwunden wie die meisten anderen vertrauten Einrichtungsgegenstände. Ihre Stelle nahmen nun einige niedrige Ledersessel ein, die unglaublich bequem wirkten – solange man nicht fünf Minuten lang in ihnen sitzen mußte.
»Oh, ich hab ihn verbrannt«, sagte Trymon und sah nicht auf. »Verbrannt? Aber er war ein einzigartiges magisches Artefakt, ein echtes…«
»Nur Trödel, weiter nichts«, bemerkte Trymon und rang sich ein dünnes Lächeln ab. »Ich bin sicher, wahre Zauberer können auf so etwas verzichten. Wenn ich eure Aufmerksamkeit nun auf wichtigere Dinge lenken darf…«
»Was ist das hier?« erkundigte sich Jiglad Wert, der zur Bruderschaft der Blender, Täuscher und Hereinleger gehörte. Er hob ein Dokument, das vor ihm auf dem Tisch lag, wedelte
Weitere Kostenlose Bücher