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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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berührte er sie mit der Schwertspitze, ganz vorsichtig, als befürchte er, sie könne jeden Augenblick explodieren.
    »Es ist doch nur eine Truhe!« rief der Zwerg. »Weiter nichts!« Cohen schwieg, verzog kurz das Gesicht, als er in die Hocke ging, spähte argwöhnisch durchs Schlüsselloch.
»Was enthält sie?« fragte Knubbelkinn.
    »Das willst du bestimmt nicht wissen«, erwiderte Cohen. »Bitte sei so nett und hilf mir hoch.«
    »Ja, sicher. Aber was hat es mit der Kiste…«
    Cohen ächzte. »Diese Kiste ist…« Er vollführte eine vage Geste. »Rechteckig?«
»Verhext«, flüsterte Cohen düster.
»Verhext?«
    »Genau.«
    »Oh«, machte der Zwerg. Eine Zeitlang betrachteten sie die Truhe. »Cohen?«
    »Ja?«
    »Was meinst du mit ›verhext‹?«
    »Nun, äh…« Der greise Barbar zögerte und streckte verärgert die Hand aus. »Gib ihr einen Tritt. Dann weißt du Bescheid.«
    Die mit einer Stahlkappe versehene Stiefelspitze des Juweliers knallte an die eine Seite des Koffers. Cohen kniff die Augen zusammen und wartete. Nichts geschah.
    »Ich verstehe«, murmelte der Zwerg. »Verhext bedeutet hölzern, nicht wahr?«
    »Nein«, widersprach Cohen. »Die Kiste… äh, ihr Verhalten wundert mich ein wenig.«
    »Ich verstehe«, log Knubbelkinn, der die Sache immer rätselhafter fand und allmählich vermutete, daß Cohen kein grelles Sonnenlicht vertrug. »Ich nehme an, sie hätte weglaufen sollen.«
    »Ja. Oder nach deinem Bein schnappen müssen.«
    »Oh«, murmelte der Zwerg. Vorsichtig griff er nach Cohens Arm. »Dort drüben ist es kühl und schattig«, sagte er. »Warum ruhst du dich nicht ein wenig aus?«
    Der Greis schüttelte die Hand ab.
»Sie starrt auf die Wand«, erwiderte er und schnippte mit den Fingern. »He, deshalb beachtet sie uns nicht. Sie ist ganz darauf konzentriert, die Mauer zu beobachten.«
    »O ja, natürlich«, entgegnete Knubbelkinn in einem beruhigenden Tonfall. »Sie beobachtet die Wand, obwohl sie gar keine Augen hat. Völlig klar.«
    »Sie wirkt irgendwie besorgt«, sagte Cohen.
    »Wundert mich nicht«, antwortete der Zwerg. »Vielleicht will sie nur in Ruhe nachdenken, ohne durch Tritte gestört zu werden. Ich schlage vor, wir lassen sie allein.«
    »Besorgt und verwirrt«, fügte Cohen hinzu.
    »Ja, da hast du völlig recht«, bestätigte Knubbelkinn hastig. »Ihr Blick ist tatsächlich sehr sorgenvoll.«
    »Woher willst du das denn wissen?« fragte der greise Barbar scharf.
    In dem Zwerg entstand das unangenehme Gefühl, daß die Rollen plötzlich vertauscht wurden. Er sah erst Cohen an und dann die Truhe, runzelte einmal mehr die Stirn und suchte nach den richtigen Worten.
    »Du bist wohl ein Experte auf dem Gebiet der Kistenmimik, wie?« Aber Cohen hörte ihm überhaupt nicht zu. Er ließ sich vor der Truhe nieder – wobei er ganz offensichtlich von der Vermutung ausging, daß die Seite mit dem Schlüsselloch vorn war – und musterte sie eingehend. Knubbelkinn wich langsam zurück. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß ihn das verdammte Ding tatsächlich ansah.
    »Na schön«, brummte Cohen. »Ich weiß, daß es zwischen uns beiden einige Differenzen gibt, aber wir versuchen beide, unsere Freunde wiederzufinden, nicht wahr?«
    »Weißt du, ich…«, begann Knubbelkinn, bevor er bemerkte, daß Cohens Worte nicht etwa ihm, sondern der Kiste galten.
»Sag mir, wohin sie verschwunden sind.«
    Der Zwerg hob verblüfft die Brauen, als die Truhe Dutzende von kleinen Füßen ausfuhr, einen Anlauf nahm und die nächste Wand durchbrach. Tonziegel platzten krachend auseinander, und Mörtelstaub wallte. Cohen sah durchs Loch, und sein Blick fiel in einen kleinen schmuddeligen Lagerraum. Der Koffer hockte in der Mitte des Zimmers und drehte sich verwundert um die eigene Achse.
     
     
    » B edienung!« rief Zweiblum.
»Ist hier jemand?« fragte Bethan.
»Arrgh!« machte der ohnmächtige Rincewind.
»Ich glaube, er sollte irgendwo Platz nehmen und ein Glas Wasser trinken«, meinte der Tourist. »Oder warme Milch. Wenn’s hier welche gibt.«
    »Bis wir sie in diesem Durcheinander gefunden haben, ist er bestimmt schon verdurstet«, meinte Bethan.
    Lange Regale zogen sich an den Wänden entlang und bogen sich unter dem Gewicht gestapelter Waren. Was dort keinen Platz fand, hing in dicken Bündeln von der dunklen Decke herab. Überall auf dem Boden lagen Säcke und Kisten.
    Sie vernahmen nicht das geringste Geräusch von draußen. Bethan sah sich um und stellte sofort fest, warum

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