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Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Derzeit konzentrierte es sich ganz darauf, zu verdampfen, in Form dichter Wolken an den Berghängen hochzuklettern und als Regen auf die Oberfläche der Scheibenwelt zurückzukehren. Sehr zum Unwillen der vielen Flüchtlinge im Gebirge, die hofften, die drohende Apokalypse von Logenplätzen aus beobachten zu können.
    Rincewind bemerkte ein winziges Gitter in der Pforte.
»Hallo!« rief er, da ihm nichts Besseres einfiel.
Auf der anderen Seite der Tür wurde es plötzlich still. Erst nach einer ganzen Weile fragte jemand: »Wer ist da?«
    Rincewind erkannte die Stimme. Vor vielen Jahren war er von ihr an heißen Nachmittagen im Klassenzimmer aus seinen Tagträumen geweckt und in die bittere Realität zurückgeholt worden. Sie gehörte Lumuel Panter, der eine persönliche Herausforderung darin gesehen hatte, ihm die Grundzüge der Kristallseherei und des Beschwörens einzuhämmern. Rincewind erinnerte sich an stechende Augen in einem aufgeschwemmten Gesicht, an eine hohntriefende Stimme: »Und nun wird Herr Rincewind herkommen und das entsprechende Symbol an die Tafel malen.« Er entsann sich an den mindestens tausend Meilen langen Weg, der ihn an seinen kichernden Mitschülern vorbeiführte, während er verzweifelt versuchte, sich an die letzten fünf Minuten des Unterrichts zu erinnern. Selbst jetzt spürte er, wie sich ihm eine Schlinge aus Entsetzen und diffusem Schuldbewußtsein um den Hals legte. Die Kerkerdimensionen konnten nicht annähernd so schlimm sein.
    »Oh, Meister, ich bin’s, Meister: Rincewind, Meister«, krächzte er. Als er die verwunderten Blicke Zweiblums und Bethans bemerkte, räusperte er sich und versuchte, mit möglichst tiefer Stimme zu sprechen. »Ja«, fügte er hinzu. »Genau der. Rincewind. Niemand anders.«
    Hinter der Tür flüsterte es eine Zeitlang.
»Rincewind?«
    »Was für ein Wind?«
    »Da fällt mir ein Junge ein, der eine totale magische Niete war…«
    »Der Zauberspruch, wißt ihr noch?«
    »Rincewind?«
Kurzes Schweigen folgte. Dann fragte jemand: »Ich nehme an, der Schlüssel steckt nicht zufällig im Schloß, oder?«
    »Nein«, erwiderte Rincewind.
» Was hat er gesagt?«
    »Er sagte nein.«
»Typisch für ihn.«
    »Äh, wer ist dort drin?« brachte Rincewind unsicher hervor. Eigentlich wollte er es gar nicht wissen.
    »Die Meister der Magie«, lautete die düstere Antwort.
»Und was tut ihr da?«
Stille. Eine kurze Beratung verlegen flüsternder Stimmen. Dann ein zögerndes Eingeständnis »Äh, wir sind eingeschlossen worden.«
    »Zusammen mit dem Oktav?«
Wispern. Raunen.
»Nun, äh, das Oktav ist nicht hier, um ganz ehrlich zu sein.«
    »Aber ihr seid dort drin und könnt nicht raus«, sagte Rincewind so höf lich wie möglich, während er wie ein nekrophiler Narr im Leichenschauhaus lächelte.
    »Tja, äh, das scheint tatsächlich der Fall zu sein.«
    »Können wir euch irgend etwas holen?« fragte Zweiblum hilfsbereit. »Wie wär’s, wenn ihr statt dessen versucht, die Tür zu öffnen?«
    »Läßt sich das Schloß irgendwie knacken?« fragte Bethan.
    »Unmöglich.« Rincewind schüttelte den Kopf. »Vor diesem Ding müßte auch der beste Einbrecher kapitulieren.«
    »Cohen wäre bestimmt damit fertig geworden«, sagte Bethan loyal. »Er gibt nie auf.«
    »Mein Koffer hätte die Pforte einfach eingerannt«, seufzte Zweiblum nostalgisch.
    »Also gut«, sagte Bethan. »Laßt uns nach draußen gehen, an die frische Luft. Oder wenigstens etwas frischere Luft.« Die junge Frau drehte sich um.
    »He, einen Augenblick!« entfuhr es dem Zauberer. »Das ist mal wieder typisch, nicht wahr? Der alte Rincewind weiß nicht mehr weiter, oder? Oh, sicher, er ist nur ein Aufschneider. Man gebe ihm im Vorbeigehen einen Tritt in den Hintern. Hat’s nicht besser verdient. Auf ihn ist kein Verlaß. Er…«
    »Na schön«, brummte Bethan. »Was schlägst du vor?«
    »…ist ein Niemand, ein Versager, eine Niete. Er… Was?«
    »Wie willst du die Tür öffnen?« fragte Bethan ernst.
Rincewind starrte sie mit offenem Mund an, richtete den Blick dann auf die Pforte. Sie wirkte äußerst dick und stabil, und das Schloß schien ihn zu verspotten.
    Aber irgendwann einmal, vor langer Zeit, war es ihm gelungen, die Kammer zu betreten. Der Schüler Rincewind hatte sich an die Tür gepreßt, die daraufhin aufschwang – und wenig später sprang ihm der Zauberspruch in den Kopf und ruinierte sein Leben.
    »Sei ein guter Junge und hol einen richtigen Zauberer, der was von Magie versteht«,

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