Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Phantasie

Das Licht der Phantasie

Titel: Das Licht der Phantasie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
die Tür erreichte, und vielleicht hielten sie das Zittern in den Schultern des jüngeren Mannes für verdächtig. Aber sie bekamen keine Gelegenheit mehr, rechtzeitig zu reagieren. Trymon trat über die Schwelle, schloß die Hand um den Knauf, warf die Pforte zu, schloß ab und lächelte.
    Er wandte sich um und schritt zufrieden durch den Korridor, überhörte die wütenden Schreie der Thaumaturgen, die gerade feststellen mußten, wie schwierig es war, in einer magiesicheren Kammer zu zaubern.
    Das Oktav bog sich, aber Trymon hielt es fest. Er lief jetzt und versuchte nicht in Panik zu geraten, als sich das Buch unter dem Arm in haarige, knöcherne und stachelige Dinge verwandelte. Die Hand fühlte sich taub an. Das leise Schnattern, das er schon seit einer ganzen Weile hörte, wurde lauter, und hinter ihm erklangen auch andere Geräusche: ein dumpfes Fauchen und Zischen, ein bedrohliches Knurren, ein Knacken wie von splitternden Knochen – die Stimmen unvorstellbarer Schrecken, die sich Trymon nur zu gut vorstellen konnte. Als er durch den Großen Saal eilte und dann die breite Treppe hinaufhastete, gerieten die Schatten um ihn herum in Bewegung, verdichteten sich und kamen näher. Außerdem merkte er, daß ihm etwas folgte, irgendeine mit dünnen Stelzenbeinen ausgestattete Wesenheit, die abscheulich schnell zu ihm aufschloß. Eis formte sich an den Wänden. Türen schnappten nach ihm, als er vorbeistürmte. Die Stufen unter ihm gaben wie weiches Gummi nach. Oder wie Zungen, die gierig nach ihm leckten…
    Trymon hatte nicht ohne Grund viele Stunden im Universitätsäquivalent einer Sporthalle verbracht und dort seine mentalen Muskeln trainiert. Du darfst deinen Sinnen nicht vertrauen, denn sie können getäuscht werden, erinnerte er sich. Die Treppe erstreckt sich irgendwo vor und unter mir. Du mußt sie deinem Willen unterwerfen, sie dazu zwingen, weiterhin zu existieren. Und du solltest dir große Mühe geben, mein Junge, denn das, was du spürst, ist nicht nur Einbildung…
     
     
    G roß-A'Tuin wurde langsamer.
Mit kontinentengroßen paddelförmigen Füßen kämpfte sie gegen die Zugkraft der Sterne an und wartete.
Es konnte jetzt nicht mehr lange dauern…
     
     
    R incewind schlich in den Großen Saal. Mehrere Fackeln brannten an den Wänden, und einige Anzeichen deuteten darauf hin, daß eine magische Zeremonie geplant gewesen war. Aber die rituellen Kerzenständer lagen auf dem Boden, und irgend jemand hatte das komplexe, mit Kreide auf den Boden gezeichnete Oktagramm verschmiert. Hinzu kam der seltsame Geruch, der selbst dann unangenehm blieb, wenn man die großzügigen Maßstäbe Ankh-Morporks anlegte. Es roch nach Schwefel, aber das war noch längst nicht alles.
    Es stank wie am Grund eines Sumpftümpels.
In der Ferne krachte etwas, und wütende Stimmen wehten durch die Korridore und Flure.
    »Offenbar haben die Tore nicht länger standgehalten«, sagte Rincewind.
»Verschwinden wir von hier!« schlug Bethan vor.
»Zum Keller geht’s dort entlang.« Rincewind eilte in einen dunklen Bogengang.
    »Hier runter?«
    »Ja. Oder möchtest du lieber im Saal bleiben?«
Der Zauberer griff nach einer Fackel und wandte sich den Stufen zu. Nach einigen Treppenabsätzen wich die Wandvertäfelung nacktem Fels. Hier und dort sahen sie schwere offenstehende Türen. »Ich habe etwas gehört«, sagte Zweiblum.
Rincewind lauschte. In den dunklen Tiefen der Kellergewölbe rührte sich etwas. Es klang nicht sehr furchterweckend, hörte sich eher an, als hämmerten mehrere Personen an eine Pforte. Er glaubte, Ausrufe wie »Au!«, »Auch das noch!« und »Oh, meine Hand!« zu vernehmen.
    »Das sind doch nicht etwa die Dinge aus den Kerkerdimensionen, von denen du uns erzählt hast, oder?« erkundigte sich Bethan.
Weit unten ächzte es: »Hat jemand eine Zigarette für mich? Ich gäbe mich schon mit einem teerigen Stummel zufrieden.«
    »Geister rauchen nicht«, sagte Rincewind. »Kommt!«
    Sie eilten durch eine finstere Passage, durch Tropfwasserpfützen, die sich auf dem Boden gebildet hatten, orientierten sich dabei anhand der Schreie und Flüche. Röchelndes Husten verdrängte ihre letzten Zweifel: Wer so keuchte, konnte unmöglich eine Gefahr darstellen.
    Schließlich verharrten sie vor einer breiten Nische. Die darin eingelassene Tür schien dick und massiv genug zu sein, um das Runde Meer zurückzuhalten – das natürlich gar nicht beabsichtigte, dem Keller der Unsichtbaren Universität einen Besuch abzustatten.

Weitere Kostenlose Bücher