Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Das Licht der Toten: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht der Toten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cyrus Darbandi
Vom Netzwerk:
nicht?«
    »Natürlich, aber …«
    Abraham sagte: »Geben Sie mir ein Headset mit. Wenn etwas passiert, rufe ich Verstärkung herbei.«
    »Wir können vieles, aber Fliegen gehört noch nicht dazu«, sagte SEK-Schneider. »Wir sind schnell, aber nicht so schnell wie eine Kugel oder ein Messerstich.«
    Abraham präsentierte ihm daraufhin die ballistische Weste. »Schön und gut, und was ist mit Ihrem Kopf?«
    »Nun, der sitzt auf meinen Schultern, und es gefällt ihm dort so gut, dass er bleiben möchte. Ohne ein Loch darin.«
    Abraham stieg aus dem Wagen. Die SEK-Männer waren ganz in seiner Nähe, schwerbewaffnet, vorbereitet, angespannt und gleichzeitig die Ruhe selbst.
    So wie er.
    Kleber stapfte wütend neben ihm her.
    »Verrückter Kerl, ich muss dich wohl erst in Ketten legen lassen …«
    Abraham schlug seinen Mantel auf und zeigte ihm seine Dienstwaffe im Seitenholster. »Beruhigt?«
    »Nein. Beruhigt bin ich, wenn ein halbes Dutzend SEK-Leute Beck unter sich begraben.«
    »Wenn Beck mich sieht, weiß er, dass die Sache gelaufen ist.«
    »Wenn Beck dich sieht, könnte er auf die Idee kommen, zumindest noch einen Polizisten mitzunehmen, falls er in den Knast einfährt oder in die Hölle.«
    Kleber stoppte Abraham vor der Tür des Hauses.
    »Das ist gegen jede Vorschrift, alleine da reinzugehen, Boss.«
    »Ich weiß.«
    »Aber es ist dir egal.«
    »Ja.«
    »Wegen Markowitz und seiner Frau, ja? Weil du dir Vorwürfe machst. Weil du diesen Kerl für dich alleine haben willst.«
    »Willst du mich jetzt tiefenpsychologisch deuten?«
    »Ich will nicht, dass du dumme Sachen machst. Ich will nicht, dass du so endest wie Dorfmann. Du bist nämlich gerade dabei, in seine Fußstapfen zu treten, und du weißt, wohin die ihn geführt haben.«
    »Ich hab’s nicht vergessen.«
    »Dann kommst du endlich zur Vernunft und überläßt den Profis die Arbeit.«
    »Nein.«
    »Nein? Hab ich richtig gehört? Ja, habe ich.« Kleber klatschte enttäuscht in die Hände. »Du sturer Bock.«
    »Glaubst du mir, wenn ich dir sage, dass ich weiß, was ich tue?«
    »Eigentlich schon … nur heute könntest du mal eine Ausnahme machen.«
    »Gerade heute nicht.«
    Kleber kannte den Unterton in Abrahams Stimme, ein unerschütterliches Fundament für jede Art von Entscheidung. Zu tief gegraben und zu solide gebaut, um es zu stürzen.
    »Okay«, sagte Kleber. »Scheiß auf die Vorschriften. Aber wenn, dann übertreten wir sie beide.«
    »Du lässt auch nicht locker«, sagte Abraham.
    »Von wem ich diese Einstellung nur habe?«, sagte Kleber.
    Gut.
    Kleber würde in Becks Wohnung warten, Abraham in der Wohnung darüber, in der sich nach Pollys Angaben der Schrank mit den restlichen Tonbändern befand. Er wusste, dass Beck sofort in diese Wohnung stürmen würde. Zu ihm.
    Zu mir, dachte er.
    Er hatte Angst.
    Er war nie ohne Angst unterwegs. Ja, es erforderte Mut, Verstand und Rücksichtslosigkeit, um sich dem Bösen zu stellen, und gleichzeitig Angst, Zweifel, alle und alles gehörte zusammen, wechselte sich ab, Logik, Wahnsinn, Gut, Böse, Verantwortung, Verwahrlosung.
    (Mit einem Mal wird dir klar, dass du sterblich bist. Dass du heute, hier und jetzt, zurückbleiben könntest, leer und ausgehöhlt, verdreht und zerschlagen. Wenn du daran denkst, dann fühlst du dich lebendiger als je zuvor. Du lebst, der andere hingegen ist schon lange tot. Was dir gegenübersteht, ist nur noch sein aufrecht gehender Kadaver. Aber dieser Kadaver atmet, er bewegt sich, und er tötet.) In seiner Manteltasche lag schwer wie das Blei der letzten Tage der Haftbefehl. Er war hier, um ihn durchzusetzen. Er alleine, so wie es sein sollte; ein Mann, um einen anderen Mann zu fassen und aus dem Verkehr zu ziehen. Hinter Abraham baute sich die Autorität des Staatsapparates mit ihren mächtigen Institutionen auf, aber hier in diesem Moment, wo er kurz davor stand, sich auf das Territorium eines Mörders zu begeben, waren all die Regeln, Gesetze und Verordnungen weit weg, schimmerten einer Fata Morgana gleich am Rand einer ungeheuren Wüste.
    Sie hatten Becks Gesicht, gezeichnet von der Hand einer Toten, seinen Namen, gerufen im Moment des Sterbens von einerToten, und sie hatten ihn selbst, sein übles grauenhaftes Inneres umgestülpt, offengelegt und dargeboten wie eine Schlachtplatte.
    Und als Abraham jetzt einen weiteren Schritt tat, den einen Fuß gehorsam vor den anderen setzte und sich langsam und schwerfällig bewegte wie ein Schlachtschiff im Sturm, da setzte er sich

Weitere Kostenlose Bücher