Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
Vom Netzwerk:
Kinder nervten Neal, obwohl er etliche Blocks von der üblichen Kweilo-Touristen-Route entfernt war.
    Sie brauchten ungefähr zehn Minuten, um Nummer Drei-Vier-Sechs zu finden, die so ziemlich genau aussah wie Drei-Vier-Vier oder Drei-Vier-Fünf. Das Haus war senfgelb und nur fünf Stockwerke hoch. Die Balkone reckten sich vor wie Brustwehren, die bunte Wäsche sah aus wie Fahnen.
    »Haben Sie eine Appartement-Nummer?« fragte Chin Neal.
    Der Türöffner stand im Foyer des Hauses und sah die Treppe hinauf. Eine alte Frau, von Kopf bis Fuß in Schwarz gewandet, saß auf einem Stuhl, starrte ihn nervös an und paffte an einer Zigarette.
    »Nein.«
    Chin lachte. »Ich wette, jetzt sind Sie froh, daß ich mitgekommen bin.«
    Er ging zu der alten Frau und sagte etwas Grobes zu ihr auf kantonesisch. Sie antwortete genauso unhöflich, und Neal war erleichtert, als Chin lachte, in seine Tasche faßte und ihr eine Zigarette gab. Sie guckte erfreut, als sie die Marlboro sah.
    »Geben Sie mir das Bild«, sagte Chin.
    Neal gab ihm den Katalog, und Neal zeigte ihn der alten Frau. Sie starrte ihn ein paar Sekunden an und gab eine kurze Antwort.
    »Sie kennt sie«, erklärte Chin Neal, »aber sie will mehr Zigaretten, um uns was zu sagen.«
    Neal fühlte die Aufregung in seinem Magen. Li Lan könnte nur ein paar Stockwerke, nur ein paar Sekunden entfernt sein.
    »Fragen Sie, ob sie mit einem weißen Mann zusammen ist.«
    »Diese alte Schachtel?«
    »Li Lan.«
    Chins Gesicht verknitterte sich zu einem Grinsen, als er Neal ansah und sagte: »Ich glaube, ich verstehe. Wollen Sie, daß er zusammengeschlagen wird?«
    »Nein.«
    »Wie Sie meinen.«
    Chin wandte sich wieder an die Frau und gab ihr noch drei Marlboros. Sie schnappte sie sich, dann schnarrte sie ihn an, streckte die Hand aus.
    »Gau la!« antwortete Chin. (»Genug!«)
    »Hou!« (»Doch!«)
    Chin gab ihr noch eine Zigarette.
    »Do jeh.« (»Danke schön.«) Sie stopfte die Zigaretten in ihre Jackentasche, zeigte dann nach oben und gab Anweisungen.
    »Mgoi«, sagte Chin sarkastisch. (»Vielen Dank für die Hilfe.«) »Oben, vierter Stock.«
    Der Türöffner ging vor ihnen hoch, zwei Männer folgten ihnen. Der dritte blieb bei der Eingangstür.
    Als sie das Appartement erreichten, sagte Neal: »Ich möchte allein mit ihr reden.«
    »Wir warten hier draußen«, stimmte Chin zu.
    Neals Herz raste, als er an die Tür klopfte. Keine Antwort, keine Geräusche, keine Stimmen. Er klopfte noch mal. Wieder keine Antwort. Er klopfte lauter. Das Schnappschloß hielt nur einen Augenblick stand, und Ben Chin nickte beifällig über Neals Geschicklichkeit mit seiner AmEx-Karte.
    »Fuck!« schrie Neal.
    Das Appartement war leer. Nicht nur unbewohnt, sondern leer. Keine Klamotten, keine Kochutensilien, Teller, Bilder, alte Zeitungen, Toilettenpapier, Zahnbürsten… Ein nacktes Bett und ein alter Rattan-Stuhl waren die einzigen Gegenstände in dem Ein-Zimmer-Appartement.
    Neal sah durch das Fenster hinaus auf den Balkon. Nichts. Er wandte sich um und sah Ben Chin in der offenen Tür stehen. Chin sah wütend aus, viel wütender, als er hätte sein sollen, aber Neal fiel das nicht auf. Er war selbst zu wütend.
    »Hol’ die alte Oma rauf«, sagte Chin auf kantonesisch zu dem Türöffner. Dann wandte er sich wieder an Neal und sagte: »Sieht aus, als hätten Sie sie verpaßt.«
    »Ach wirklich.«
    »Sie muß gerade verschwunden sein. Appartements bleiben hier nicht lange leer.«
    »Sie hat immerhin saubergemacht.«
    Chin lachte. »Vielleicht. Könnte auch sein, daß die Nachbarn aufgeräumt haben, kaum daß sie die Tür hinter sich zugemacht hatte.«
    Verdammt gedankenlos von den Nachbarn. Wußten sie nicht, daß ich nach Hinweisen suchen wollte?
    Neal hörte die alte Frau auf der Treppe keifen. Der Türöffner brachte sie ins Zimmer. Auf Chins Zeichen hin schloß er die Tür hinter ihnen.
    »Sind Sie ein Geist?« fragte Chin sie auf kantonesisch. Er durchquerte das Zimmer und öffnete das Fenster. »Können Sie fliegen?«
    Neal verstand die Worte nicht, aber die Drohung war eindeutig. Ein Gauner ist ein Gauner, und seine Technik ist von Kultur zu Kultur nicht sehr verschieden.
    »Kommen Sie, Ben«, sagte Neal, der sich so müde fühlte wie seit Jahren nicht mehr.
    Chin ignorierte ihn.
    »Antworten Sie«, sagte er zu der alten Frau. »Sind Sie ein Geist? Können Sie fliegen?«
    Sie sah ihn an, eher verächtlich als ängstlich. Sie sagte nichts.
    »Warum haben Sie mich vier Stockwerke umsonst

Weitere Kostenlose Bücher