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Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2

Titel: Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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angezogenes chinesisches Paar, das sich begeistert anstarrte, auf einem weiteren richtete es tapfer riesige Schwerter gegen eine Armee grinsender Gangster.
    »Hier laufen die neuesten Streifen aus China«, erklärte Ben Chin. Er sah auf die Uhr. »Vielleicht können wir heute nachmittag hingehen.«
    Das Buch von Joe Graham, Kapitel 7, Vers 3: »Jeder hat eine Schwäche.«
    »Yeah«, sagte Neal. »Mal sehen, wie es läuft.«
    Der Türöffner überquerte einmal unruhig die Straße, wie ein Hündchen, dessen Herr zu lange braucht, um die Tür für einen Spaziergang zu öffnen. Neal nahm ihm das nicht übel; sein Job war einsam, vor allem, wenn er von seinem Team durch eine belebte Straße abgeschnitten war. Der Türmann trug dabei eine Menge Verantwortung. Er mußte das »Gehen/ Nicht Gehen«-Signal geben.
    Über die Straße zu gehen ist nicht ungefährlich. Man muß sich nach dem Verkehr richten, damit man die Nachhut nicht von den Leuten trennt, die sie beschützen. Man muß die Autos im Auge behalten, denn ein Wagen könnte die Nachhut in Schach halten, während ein zweiter die Zielperson erledigt. Über die Straße zu gehen ist ein wunder Punkt.
    Alles ging glatt, und Neal hatte das Gefühl, Erleichterung auf dem Gesicht des Türöffners zu sehen, als er sie nach Westen zur Kansu Street führte.
    Billig aussehende Mietshäuser standen in der Kansu Street. Man konnte sie nicht gerade einen Slum nennen, aber sie waren dreckig und hatten einen Anstrich nötig. Einer der Vermieter mußte Pastellgrün billiger bekommen haben, denn etliche Gebäude in einem Block waren so gestrichen. An den meisten Gebäuden gab es schmale Balkone, oft zur Straße hin und überdacht mit rostigem Metall. Fernsehantennen ragten über die Balkongeländer, daran hing Wäsche zum Trocknen.
    Auf vielen Balkonen gab es Betten und Hängematten, und hier und da hatten die Mieter Wellblech angenagelt, um es den Familienangehörigen, die dort draußen leben mußten, etwas gemütlicher zu machen.
    Da Hongkong sich nicht ausbreiten konnte, wuchs es nach oben. Wohin man auch sah, die älteren, kleineren Mietshäuser wichen großen, massiven Hochhäusern, die die unverkennbare Anonymität staatlicher Bauprojekte hatten. Auch privat wurde etwas getan; wenn Gebäude überquollen, wichen die Leute einfach samt ihrer Habe in Seitenstraßen aus und errichteten kleine Hütten aus Blech, altem Stoff und Pappe. Einige dieser Pioniere mit etwas Geld oder guten Kontakten hatten kostbares Holz aufgetrieben und richtige Wände zusammengenagelt.
    Händler boten auf den Bürgersteigen Waren aller Art an. Alte Frauen standen in geöffneten Fenstern oder auf Balkonen und schüttelten Laken und Handtücher aus, während ihre Männer sich über die Geländer lehnten, Zigaretten rauchten oder die Schale von Sonnenblumenkernen ausspuckten, während sie mit ihren Nachbarn plauderten.
    Der Lärm war unglaublich: Gespräche, Streit, Verhandlungen, Werbung, Protest vermischten sich zu dem affenartig schnellen Singsang des kantonesischen Dialektes. Alte Frauen empörten sich über die Fischpreise, während ihre Schwestern triumphierend oder verzweifelnd das Klick-Klack der Mah-Jongg-Steine kommentierten.
    Neal bemerkte den Geruch, oder genauer: die Gerüche. Essensdüfte dominierten. Neal konnte Fisch und Reis riechen, und es schien Dutzende von Düften zu geben, die er nicht erkannte, Gerüche, die sich aus dampfenden Woks in den Hütten an den Straßenrändern erhoben und wie eine ständige Wolke über der Gegend hingen. Dazu kam der Geruch eines Abwassersystems, das nicht einmal ansatzweise seine Aufgaben erledigen konnte, und der Gestank des herumliegenden Mülls. Der Rauch von Grillkohlen, massenweise brennender Zigaretten und Bauwagen machte die Luft dick und drückend und legte sich über den Salzgeruch von der nahen See.
    Neal, der die letzten sechs Monate einsam in einem offenen Moor verbracht hatte, konnte sich kaum vorstellen, was es bedeutete, in einer Welt zu leben, wo man von der Geburt bis zum Tod nie auch nur einen winzigen Augenblick für sich allein war.
    Chin und seine Männer bewegten sich durch die Menschenmenge wie Haie durch den Ozean. Immer in Bewegung und unheimlich gelassen. Ihre Augen schienen immer geradeaus zu schauen, und trotzdem nahmen sie alles wahr. Neal fiel auf, daß, wenn jemand sie sah, er sofort etwas Faszinierendes auf dem Bürgersteig entdeckte, das er anstarrte, bis der Trupp vorbei war. Weder Händler noch Bettler oder neugierige

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