Das Licht in Buddhas Spiegel - Neal Carey 2
erkennen, daß das Haus groß und abgelegen war. Der Mann scheuchte ihn durch eine Kellertür und führte ihn durch einen Gang, an einem großen Zimmer vorbei, in ein Bad.
»Ich werde sehen, ob ich saubere Klamotten für Sie finden kann«, sagte der Mann.
»Wer…«
»Ich werde alle Ihre Fragen später beantworten. Im Moment möchte ich vor allem, daß Sie im Haus dieser netten Leute nicht überall Blut verschmieren. Warum waschen Sie sich nicht und kommen dann in mein Arbeitszimmer?«
Der Mann ging, Neal zog sich aus. Seine Hose und sein Hemd klebten vor Blut. Er rollte sie zusammen und warf sie in einen Mülleimer, dann ließ er heißes Wasser ins Waschbecken laufen und wusch sich. Seine Hände zitterten. Er sah sich im Spiegel an, und der Mann, der zurückblickte, schien viel älter zu sein, als Neal sich erinnerte. Er hörte ein leises Klopfen an der Tür. Er öffnete, und davor stand ein alter Chinese in Livree. Der Mann gab ihm ein weißes, kurzärmeliges Hemd, eine schwarze Baumwollhose und ein paar schwarze Stoffschuhe mit Gummisohlen, dann trottete er davon. Neal zog sich an. Die Schuhe waren etwas zu groß, aber es ging. Er überquerte den Gang und fand das Arbeitszimmer.
Prächtige rote Vorhänge verdeckten ein Panoramafenster, ein reich bestickter Orientteppich lag auf dem Boden. Es war still. Ein riesiger, schwarz emaillierter Schreibtisch stand an einer Wand, ein kleinerer, ebenfalls schwarz emaillierter Couchtisch stand neben einem Sofa und zwei Stühlen an der anderen Wand. Der Mann saß auf einem der Stühle. Er hatte seinen Schlips gelöst, die Schuhe ausgezogen und trank aus einer fast durchsichtigen Tasse.
»Möchten Sie Tee?« fragte er Neal.
»Scheiß auf Sie, scheiß auf Ihren Tee. Wer sind Sie?«
»Tut mir leid, mit der Kuli-Kleidung. Was anderes hatten wir nicht.«
Neal sagte nichts.
»Mein Name ist Simms«, sagte der Mann. Er hatte sehr kurz geschorenes blondes Haar und blaue Augen. Er sah etwas älter als dreißig aus.
»Sind Sie von den Freunden?«
»Ich bin nicht gegen sie.«
»Ich bin wirklich nicht in der Stimmung…«
Simms stellte seine Tasse ab. »Hören Sie, es ist mir wirklich egal, in welcher verdammten Stimmung Sie sind. Ich mußte Ihretwegen gerade jemanden umbringen, nur weil Sie nicht tun konnten, was man Ihnen gesagt hat. Also vergessen wir Ihre Stimmung, ja? Trinken Sie Tee.«
Neal setzte sich auf den anderen Stuhl. Er goß sich eine Tasse Tee aus der Kanne ein, die auf dem Tisch stand.
»Und machen Sie sich ja nicht die Mühe, mir zu danken, daß ich Ihnen das Leben gerettet habe. Ich bin bloß ein Angestellter, der seinen Job macht«, sagte Simms.
»Danke.«
»Nicht gerade gern geschehen. Glauben Sie mir, Carey, wenn ich Sie nicht brauchen würde, hätte ich Sie in Stücke hacken lassen, so wütend bin ich auf Sie.«
Das Buch von Joe Graham, Kapitel 8, Vers 15: Gib den Bastards niemals nach; nicht, wenn du recht hast, und schon gar nicht, wenn du unrecht hast.
»Bu-hu, bu-hu«, machte Neal. »Und im übrigen: Fuck you. Ich mache diesen Scheiß mein halbes Leben und habe noch nie jemand sterben sehen. Und jetzt sehe ich, wie einem Kind die Beine halb abgehackt werden und einem anderen das Gesicht zerfetzt wird, und ich bin voller Blut, wörtlich und im übertragenen Sinne, und ich vermute mal, daß Sie was damit zu tun haben. Also kommen Sie mir nicht mit dieser Schuld-Geschichte, Sie Arschkeks. Ich fühle mich mies genug.«
Simms lächelte und nickte.
»Kann ich was Richtiges trinken, statt dieses verdammten Tees?« fragte Neal.
Simms ging zu einer kleinen Bar und goß Neal einen Scotch ein.
Du hast also eine Akte über mich, dachte Neal. Und du bist nicht bei den Freunden. Bleibt nur noch Buchstabensuppe.
»CIA?« fragte Neal.
»Wenn Sie meinen.«
»AgriTech gibt es also nur auf dem Papier.«
»AgriTech gibt es wirklich. Die Firma hat Laboratorien, Büros, eine Kantine, macht Firmenausflüge, was Sie wollen.«
Der Whiskey brannte wunderbar in Neals Magen. Er wünschte, er könnte einfach abhauen und sich betrinken.
Statt dessen sagte er: »Yeah, und AgriTech hat außerdem einen Schatzmeister namens Paul Knox, der einen – wie soll ich sagen – phantastischen’ Lebenslauf hat.«
»Paul ist ein guter Mann.«
»Klar, er ist ganz sicher ein herausragendes Exemplar seiner Rasse, aber ich will wissen, warum ein AgriTech-Forscher diese ganze Morderei wert ist.«
»AgriTech«, erklärte Simms mit sanfter Stimme, »ist, was wir eine
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