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Das Lied der alten Steine

Das Lied der alten Steine

Titel: Das Lied der alten Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine
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herein.«
    »Nein!« Katherines Schluchzen war noch hysterischer geworden. »Nein, bitte, schicken Sie ihn weg! David!« Ihr letzter Schrei war so schrill, dass die Frau aus dem Dorf ihre Furcht vor Carstairs vergaß. Sie legte ihre Hand auf Katherines Bauch und gab Louisa ein paar unverständliche Anweisungen, denen sie eine Reihe sehr viel deutlicherer Gebärden folgen ließ.
    Sie versuchte, Katherine auf die Füße zu bringen. Sie zeigte ihr, dass sie in die Hocke gehen sollte für die Geburt.
    Venetia war die Aufgabe überlassen, Carstairs aus dem Raum zu schieben, nach draußen, wo David allein auf dem Achterdeck stand. Ein paar Minuten später hörten sie beide den schwachen Schrei eines Säuglings. Bei dem Laut drehte sich David um.
    »War es das? War das mein Baby?« Er zitterte.
    Carstairs zuckte die Achseln. Er entfernte sich von ihm und ging nun über das Dach der Kabine zum Bug. Dort stand er und streckte seine Arme zum Himmel aus.
    Als David die Kabine betreten durfte, war sie schon aufgeräumt, die Salben aus Bockshornklee und Honig, Akazie und Tamariske waren wieder im Korb der Frau verstaut.
    Katherine lag auf dem Diwan, von Kissen gestützt, und das winzige Baby lag zwischen ihren Brüsten. Er sah es voller Besorgnis an.
    »Es ist alles in Ordnung, David.« Katherine berührte den kleinen Kopf des Babys mit einem Finger. »Er liegt hier, damit er es warm hat. Er ist sehr klein, aber Mabrooka sagt, dass er gesund ist.« Sie lächelte die alte Frau an, die sich verneigte. Sie wickelte bereits wieder den Schleier um ihren Kopf. »Du musst ihr etwas Bakschisch geben, David«, fuhr Katherine fort. Ihre Stimme war schwach. »Sie hat mir wahrscheinlich das Leben gerettet.«
    Louisa ließ sie allein und schlich hinaus an Deck, wo sie die Nachtluft in tiefen Zügen einatmete. Es musste kurz vor der Morgendämmerung sein.
    Ein Laut hinter ihr ließ sie herumfahren. Carstairs stand dort mit verschränkten Armen. Als sie ihn sah, immer noch in sein schwarzes Gewand mit rotgoldener Schärpe und kunstvoll gebundenem Turban gekleidet, überkam sie ein Gefühl des Ekels. Er ließ seinen Blick mit geringschätzigem Schweigen über sie gleiten, sah das Blut auf ihrem Kleid, ihr verstrubbeltes Haar, ihre Erschöpfung, und sie spürte sofort, wie die Wut in ihr brodelte. »Wollen Sie nicht wissen, wie es ihnen geht?«
    Er zuckte mit der Schulter. »Ohne Zweifel werden Sie es mir gleich sagen.«
    »Sie sind beide sicher und wohlauf.«
    » Inschallah! « Er neigte leicht seinen Kopf.
    »Und ich werde jetzt gehen.«
    »Bitte, tun Sie das.« Er drehte sich ohne ein weiteres Wort um.
    Sie ging zum Heck, wo Mohammed mit überkreuzten Beinen saß und auf sie wartete. Die Anlegeleine des kleinen Ruderboots, das hinter der Dahabiya dümpelte, war neben ihm an der Reling befestigt. Er stand auf, als er sie näher kommen sah, und verbeugte sich. »Sitt Fielding geht es gut?«
    »Sie ist wohlauf, Mohammed, dank Ihnen. Und das Baby, ein Junge, auch. Würden Sie mich bitte zurück zur Ibis bringen und dann noch einmal für Mabrooka zurückkommen?« Sie rieb sich die Augen. »Es ist schon fast Tag, ich bin sehr müde.«
    Er wandte sich um und zog das Boot heran, dann stieß er unvermittelt einen Schrei aus. Ganz nah bei ihm auf den Planken lag eine große Schlange aufgerollt. Als er sich bewegte, zischte sie. Sie hob ihren Kopf, die Haube gespreizt, und wiegte sich hin und her, die Augen auf ihn gerichtet.

    »Nein!« Louisa starrte sie einen Augenblick an, dann wandte sie sich an Carstairs. »Rufen Sie sie zurück! Sind Sie so abgrundtief böse, dass Sie noch einen weiteren unschuldigen Mann töten wollen?«
    Er lächelte. »Ich habe sie nicht hergerufen, Mrs. Shelley, das versichere ich Ihnen.«
    »Ihre Versicherungen sind nichts wert.« Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und ging vor zur Schlange. »Mohammed, steigen Sie ins Boot.«
    »Nein, Gnädigste. Ich kann Sie nicht im Stich lassen.« Sein Gesicht war kreidebleich.
    »Los! Sie wird mir nichts zun.« Sie stampfte mit dem Fuß auf und die Schlange zischte.
    Mohammed bewegte sich behutsam rückwärts, Schritt für Schritt, während Louisa nach Venetias Sonnenschirm griff, der auf einem Stuhl neben ihr lag. Die Schlange beobachtete jetzt sie. »Rufen Sie sie zurück, Mylord.« Sie lächelte. »Wollen Sie, dass ich auch sterbe, damit ich dann bei Hassan bin?«
    Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe sie nicht gerufen!«
    »Dann lassen Ihre Kräfte nach. Und Sie sind noch viel

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