Das Lied der alten Steine
Kopf leicht zur Seite. »Alles ist möglich.«
»Aber nicht wahrscheinlich.«
Er zuckte die Achseln. »Es ist Allahs Wille, Mademoiselle. «
»Was geschieht jetzt? Wird man unsere Kreuzfahrt abbrechen?«
Erneut hob er die Schultern. »Die Polizei kommt morgen. Und der Vertreter der Reisegesellschaft. Omar wird mit ihnen sprechen. Ich schätze, dass sie auch Sie sprechen wollen. Es ist ein sehr kleines Schiff. Jeder kannte Monsieur Andrew. Alle sind traurig.«
Sie nickte langsam. »Ich möchte mich einfach nur zusammenrollen und schlafen.«
»Wollen Sie einen Drink ans Bett?«
»Ja bitte. Und einen für Serena.«
Er nickte. »Ich bringe sie Ihnen zur Kabine. Sie können schon sehen.« Er drehte sich zum Bord um, dann warf er ihr noch kurz einen Blick zu. » Mademoiselle, nehmen Sie Ihr Amulett nicht ab. Auch nicht eine Sekunde. Es ist immer noch Gefahr in Ihrer Nähe.«
Sie blickte finster. Automatisch fuhr sie sich mit der Hand an den Hals. Sie wollte ihn fragen, warum er das gesagt hatte. Aber er war beschäftigt und kehrte ihr den Rücken zu. Und plötzlich merkte sie, dass sie es nicht wissen wollte. Nicht jetzt. Sie konnte nicht noch mehr ertragen.
Serena lag auf ihrem Bett und blätterte in Louisas Tagebuch.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen. Deine Tasche stand offen auf dem Nachttisch, da wollte ich die letzten paar Seiten lesen.
Ich dachte, das würde mich etwas ablenken.«
Anna setzte sich neben sie. »Gute Idee.« Sie seufzte. »Ibrahim wird uns einen Drink hierher bringen. Ich denke, er wird uns einen Tiefschlaf-Drink zusammenbrauen.« Sie lächelte müde.
»Also, wie ging es mit Louisa weiter?«
Serena setzte sich auf und stellte ihre Füße auf den Boden.
»Das solltest du lieber selbst lesen.« Als es leise klopfte, wandte sie sich zur Tür und nahm von Ibrahim ein Tablett in Empfang.
»Hier. Dein Tiefschlaf-Drink.« Sie stellte ein Glas auf den Tisch neben Annas Bett und schnüffelte vorsichtig an ihrem eigenen. »Für einen Muslim und Abstinenzler mixt er ziemlich heftige Cocktails. Jahrelanger Bardienst für die Ungläubigen, ohne Zweifel.« Sie hielt mit wissendem Lächeln inne. »Hänge nicht trüben Gedanken nach, Anna. Es war absolut nicht deine Schuld. Er war selbst schuld, weil er sich sinnlos betrunken hat.«
Anna nickte. Sie fühlte Tränen aufsteigen.
»Ich lasse dich jetzt lesen«, flüsterte Serena. »Wir können morgen reden.«
Nachdem sie gegangen war, saß Anna mehrere Minuten da, ohne sich zu rühren, dann griff sie nach dem Glas. Sie warf ihre Schuhe von sich, lehnte sich zurück gegen die Kissen und nahm das Tagebuch zur Hand. Serena hatte Recht. Es waren nur noch wenige eng beschriebene Seiten bis zum Schluss. Sie zu lesen, würde ihre Gedanken von der unerquicklichen Gegenwart abziehen und sie in der unvermeidlich schlaflosen Nacht beschäftigt halten.
Nach Katherines Niederkunft blieben die drei Schiffe noch mehrere Tage an ihren Liegeplätzen. Dann, als sie kräftig genug war, um zurück zur Lotus gebracht zu werden, begaben sich die Fieldings und die Forresters im Konvoi auf den langen Weg nach Norden und ließen die Scarab hinter sich zurück. Lord Carstairs hatte sich nicht mehr blicken lassen, seit Louisa am Tag der Geburt sein Schiff vor der Dämmerung verlassen hatte.
Sir John befragte den Reis des Schiffs, erhielt aber nur ein Achselzucken und einen vielsagenden Blick gen Himmel zur Antwort. Eine Suchaktion hatte nicht die geringste Spur von Schlangen welcher Größe auch immer ergeben.
In Luxor traf Louisa ihre Entscheidung.
»Ich nehme den Dampfer zurück nach Kairo«, erklärte sie den Forresters nach dem Abendessen, nachdem das Schiff vertäut war. »Sie waren so nett und gastfreundlich, aber ich habe Sehnsucht nach meinen kleinen Jungen.«
In ihrer Kabine begann sie die Malsachen einzupacken. Treece würde sich um ihre Kleidung kümmern, aber diese Dinge waren etwas Besonderes. Sie waren immer von Hassan ein-und ausgepackt worden. Sie schlug eines ihrer Skizzenbücher auf und betrachtete lange sein Gesicht, die dunklen, liebevollen Augen, den edlen Mund, die Hände, die so stark waren und gleichzeitig so gefühlvoll sein konnten.
In der Kabine war es sehr heiß, daher öffnete sie die Fensterläden. Am anderen Flussufer hatte eine Reihe von Dahabiya s am palmengesäumten Ufer festgemacht. Die meisten zeigten mit ihrem Bug nach Norden. Die Saison ging für die meisten Europäer zu Ende, für sie war es Zeit, nilabwärts nach Kairo und
Weitere Kostenlose Bücher