Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
sich. Ob die Rauhe Else ihm ein wenig Wasser spendiert hatte? So heilig war die Gelegenheit nun auch wieder nicht, dass sich mein Sarkasmus verkriechen würde. Wenn ich einer der drei Könige gewesen wäre, hätte ich vermutlich noch vor dem Jesuskind die Klappe aufgerissen.
Galatea ließ sich die Karaffe reichen, hielt den Kelch am Stiel fest und goss ein. Dann stellte sie die Kanne ab und umfasste die Feuerrote Blume mit beiden Händen.
Gerade als ich mich fragte, ob ihre restliche Magie wohl ausreichen würde, um das Elixier zu erschaffen, schoss ein Lichtstrahl aus dem Kelch, der Galateas Gestalt verschluckte und uns blendete.
Ich kniff erst die Augen zusammen und wandte mich dann ab, als das nicht half, denn die Helligkeit war ähnlich grell wie der Lichtbogen eines Schweißgeräts. Doch ebenso schnell, wie das Licht gekommen war, verschwand es auch wieder. Galatea hatte sich nicht verändert, aber das Wasser, das in dem Kelch schwappte, hatte sich in eine rote Flüssigkeit verwandelt.
Cool! Um so einen Kelch würden sich sämtliche Barkeeper der Welt prügeln.
»Das ist das Elixier der Verjüngung«, proklamierte sie feierlich. »Eigentlich sollte es nur an Beltane getrunken werden, aber die Göttin wird mir sicher verzeihen, dass ich es jetzt tue.« Damit führte sie den Kelch an ihre Lippen und trank. Als sie den letzten Tropfen geleert hatte, setzte sie den Kelch wieder ab und atmete einmal tief durch.
»Was passiert jetzt?«, flüsterte ich Pheme zu, die mit den Achseln zuckte.
»Wie gesagt, ich wusste nicht, dass sie solch einen Kelch besitzen. Dementsprechend weiß ich auch nicht, wie es aussieht, wenn die Magie zu einer Nymphe zurückkehrt.«
Galatea schloss die Augen und begann irgendwas zu murmeln, das ich nicht verstand. Eine ganze Weile verharrte sie so. Ich erwartete, dass jeden Augenblick irgendwelche Lichtstrahlen aus ihr hervorbrechen würden, aber dem war nicht so. Doch plötzlich verfärbte sich ihr Haar und wurde vom Haaransatz her grün, als würde man Waldmeisterbrause in einen durchsichtigen Trinkhalm saugen. Die Farbe wurde immer kräftiger, und bald rankten zwischen ihren Haaren sogar Blüten und Blätter hervor. Das war ja mal abgefahren!
Als ihre Frisur einer Wiese glich, aus der Gänseblümchen sprossen, öffnete sie die Augen. »Was seht ihr mich so an?«, wunderte sie sich, als sie unsere Gesichter bemerkte.
Thomas deutete auf ihre Haare. »Mit der Frisur solltest du dich beim Zirkus melden.«
Galatea nickte, dann blickte sie auf den Kelch. Ob sie den wohl heute noch einmal aus der Hand geben würde?
»Es hat also gewirkt, Gaia sei Dank.« Sie blickte kurz nach oben, dann sah sie zu Dragomir hinüber, der sie sichtlich bewegt anstarrte.
Ich glaubte es nicht. Da kullerte tatsächlich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Seine Haut mochte hart wie Stein sein, aber sein Herz war so weich wie Butterkaramell. Wie süß!
»Komm zu mir«, sagte Galatea lächelnd. »Ich werde nun dein Volk von dem Fluch befreien.«
Jetzt war ich aber mal gespannt. Würde sie ihm auch irgendeinen Trank einflößen?
Als der riesige Steinmann vor ihr stand, streckte sie die Hände nach seiner Brust aus, schloss die Augen, beugte den Kopf ein wenig vor und murmelte eine Beschwörung.
»Das ist die alte Sprache der Nymphen«, erklärte mir Pheme, die wohl geahnt hatte, dass ich gleich fragen würde. »Außer ihnen versteht das keiner mehr.«
Ich fand sie jedenfalls wunderschön, denn sie erinnerte mich ein wenig an das Hawaiianisch, das ich mal im Fernsehen gehört hatte.
Nach einer Weile schossen Lichtstrahlen aus ihren Fingerspitzen und zeichneten ein Muster auf das Haus des Gargoyles. Die ineinander verschlungenen Linien ähnelten einem keltischen Knoten. Kreisförmig wanderten sie auf der Brust des Steinmannes herum, dann verloschen sie wieder.
Galatea nahm nun ihre Hände wieder herunter und sah ihn an.
»Bei Sonnenaufgang solltest du deine menschliche Gestalt wieder annehmen«, sagte sie und trat einen Schritt zurück.
Dragomir nickte. »Du wirst nachvollziehen können, dass ich dich noch so lange hierbehalten muss, bis die Verwandlung eingesetzt hat.«
»Natürlich.«
Ihr Ton war voller Verständnis. Jetzt, da Galatea ihre Magie wiederhatte, erschien sie mir auf einmal unendlich sanft. Auch Dragomir hatte so gut wie nichts Brummiges mehr an sich.
»Wie lange ist es denn noch bis Sonnenaufgang?«, wandte ich mich an Thomas, der den Arm hob und gegen seine Uhr klopfte, in der Wasser
Weitere Kostenlose Bücher