Das Lied der Banshee: Roman (PAN) (German Edition)
hast du es bereits einmal erfolgreich getan.«
»Davon wissen Sie auch?«
»Ich habe dich schon eine ganze Weile im Auge, Aileen. Unsere Begegnung in der Bahn war kein Zufall. Ich habe gespürt, dass du in Gefahr warst, deshalb war ich in deiner Nähe.«
»Warum haben Sie dann nichts getan, um die Kerle aufzuhalten?«
»Das hat verschiedene Gründe, der Wichtigste ist wohl, dass es nicht nötig war, einzugreifen. Du hast dich hervorragend zur Wehr gesetzt, und zwar stärker als jedes Götterkind, das sich seiner Kräfte bewusst ist.«
Ich schüttelte den Kopf. Besser gesagt, er fing von allein an zu wackeln.
»Deine Stimme kann, wenn sie vollkommen ausgebildet ist, einen Menschen oder ein Götterkind töten, wenn du sie gegen ihn oder es richtest. Ich kann dir zeigen, wie man dies am besten tut, immerhin habe ich auch Pheme und Aiko eingewiesen.«
»Sind die etwa auch Banshees?«
»Nein, Pheme ist eine Sirene und Aiko eine Oni , ein japanischer Naturdämon. Ich selbst bin ein Wassermann und gehöre damit zu der Rasse der Pontonier, die von dem Wassergott Pontos abstammt.«
Wenn ich wieder zu Hause war, würde ich wohl erst einmal Wikipedia bemühen müssen. Von Wassermännern und Sirenen hatte ich schon gehört, doch die anderen Begriffe sagten mir gar nichts.
Aber ein Wassermann? Wo war dann sein Fischschwanz? »Kannst du das beweisen? Die Sache mit dem Wassermann, meine ich.«
Ein überlegenes Lächeln huschte über seine aristokratischen Züge. »Natürlich.«
Er streckte die Hand aus, und wie aus dem Nichts schoss eine Fontäne daraus hervor. Das Wasser klatschte gegen einen Pfeiler und regnete auf den Hallenboden herab.
»Du hast nicht etwa einen Wassertank unter der Jacke, weil du geahnt hast, dass ich einen Beweis will?«, fragte ich erstickt.
Macius lachte belustigt auf, wobei ich einen kurzen Blick auf seine Zunge werfen konnte. Sie war grün! Oh, Mann!
»Nein, das habe ich nicht. Ich ziehe mittels Magie einfach blitzschnell das Wasser aus der Luft und verwandle es in eine Fontäne, wie du gesehen hast. Das ist allerdings nur eine meiner Fähigkeiten.«
»Harpyien einzufrieren gehört wohl auch dazu, oder?«
»Ja, und einiges mehr. Pheme verteidigt sich übrigens auch mit ihrer Stimme, genau wie du.«
»Soll ich eine kleine Kostprobe geben?«, fragte die Automechanikerin spöttisch.
»Besser nicht. Aileen weiß noch nicht, wie sie sich zu schützen hat. Es könnte sein, dass sie davon taub wird.«
»Aber ich kann ihr zeigen, wer ich bin!«
Ehe Macius etwas einwenden konnte, verfärbte sich die Haut der Japanerin rot, kleine Hörner schossen aus ihrem Kopf, und ihr rechter Arm wurde zu einer unförmigen Masse.
»Wow!«, presste ich hervor und sprang von meinem Platz auf, obwohl Aiko gut fünf Meter entfernt stand.
»Na, was sagst du?«, fragte sie. Ihre helle Kleinmädchenstimme hörte sich mit einem Mal an wie die eines alten Mannes.
Verwandelte ich mich irgendwann auch in so ein Ding? Vor lauter Schreck bekam ich kein einziges Wort heraus.
»Ich glaube, dass sie überzeugt ist. Verwandele dich jetzt wieder zurück, du wirst deine Kräfte für andere Dinge brauchen.«
Ebenso schnell, wie Aiko zu dem Dämon geworden war, stand wieder das Schulmädchen mit den Zöpfen vor mir. Auf einmal verstand ich, warum sich mein Zusammenprall mit ihr angefühlt hatte, als würde ich gegen einen Laternenpfahl laufen.
»Verwandele ich mich auch, wenn ich meine … Stimme einsetze?«
»Nein.«
Ich atmete erleichtert auf, als Macius fortfuhr: »Du verwandelst dich eher kontinuierlich. Dir ist sicher aufgefallen, dass deine Augen immer heller werden, oder?«
Meine verhassten Freak-Augen! Ich hatte geahnt, dass die nicht normal waren.
»Werden sie etwa irgendwann schneeweiß?«, fragte ich elend. Mir ging dieses ganze Gerede gehörig auf den Geist, und meine Schläfen fingen an zu pochen. Ich wollte einfach nur wieder nach Hause.
»Nein, sie werden rot sein. Nachdem alle Farbe aus deiner Iris gewichen ist, wird man den Augenhintergrund sehen können. Dann bist du eine vollwertige Banshee.«
Rote Augen? Weil man das Blut darin sehen konnte. Bäh, wie eklig! Schlimmer hätte es wahrlich nicht kommen können.
Ich versuchte mich krampfhaft an die Bilder von meiner Mutter zu erinnern. Hatte sie rote Augen gehabt? Oder Kontaktlinsen getragen? Gab es damals schon gefärbte Linsen, unter denen man missratene Augen verbergen konnte?
»Dann werden mich die Leute endgültig für einen Freak halten«,
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