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Das Lied der Dunkelheit

Das Lied der Dunkelheit

Titel: Das Lied der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Woron.
    »So etwas darfst du nicht mal im Scherz sagen«, warnte Gaims seinen Kameraden. »Wenn der Hauptmann der Wache dich so reden hört, lässt er uns beide in Ketten legen und ein Jahr lang im Steinbruch schuften.«
    Sein Partner gab einen Grunzer von sich. »Trotzdem«, brummte er. »Man wird sich ja wohl noch fragen dürfen …«

    Das erste Jahr in Miln - Arlen war mittlerweile zwölf - verging für den Jungen wie im Flug, während er in seine Rolle als
Bannzeichner-Lehrling hineinwuchs. Als Erstes brachte Cob ihm das Lesen bei. Arlen kannte Schutzzeichen, die man in Miln noch nie zuvor gesehen hatte, und Cob wollte sie so schnell wie möglich auf Papier festhalten.
    Arlen stürzte sich mit Feuereifer auf das Lesen und wunderte sich, wie er jemals ohne diese Fertigkeit ausgekommen war. Stundenlang vertiefte er sich in Bücher; anfangs bewegten sich seine Lippen noch ein wenig, als er das Geschriebene mühsam entziffern musste, doch schon bald blätterte er die Seiten rasch um, und seine Augen huschten nur so über den Text.
    Cob hatte keinen Grund, sich über den Jungen zu beklagen; Arlen arbeitete fleißiger als jeder Lehrling, den er je unterrichtet hatte, und bis spät in die Nacht hinein beschäftigte er sich mit dem Zeichnen und der Herstellung der Siegel. Oftmals legte Cob sich schlafen und dachte an die viele Arbeit, die am nächsten Tag auf ihn wartete, doch wenn dann das erste Sonnenlicht in die Werkstatt flutete, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass Arlen sämtliche Aufgaben erledigt hatte.
    Nachdem Arlen das Alphabet gelernt hatte, verlangte Cob von ihm, dass er sämtliche Schutzzeichen, die er von daheim kannte, katalogisierte. Der Meister kaufte eigens ein Buch für ihn, in das er die Symbole zusammen mit ausführlichen Beschreibungen eintrug. Papier war in Miln teuer, da es in der Umgebung kaum Wälder gab, und nur wenige der einfachen Leute bekamen jemals ein ganzes Buch zu Gesicht, aber der hohe Preis machte Cob nichts aus.
    »Selbst das schlechteste Grimoire ist hundertmal mehr wert als das Papier, auf dem es geschrieben ist«, meinte er.
    »Grimoire?«, hakte Arlen nach.
    »Ein Buch, in dem Siegel dargestellt sind«, erklärte Cob. »Jeder Bannzeichner besitzt eines, und sein Inhalt wird geheimgehalten.
« Arlen wusste das kostbare Geschenk zu schätzen und füllte die Seiten mit ruhiger, sicherer Hand.
    Als Arlen kein weiteres Siegel mehr einfiel, das er hätte aufzeichnen können, erklärte er, er sei mit der Aufgabe fertig. Cob studierte das Buch und war sichtlich schockiert. »Beim Schöpfer, Junge, hast du überhaupt eine Ahnung, wie viel dieses Buch wert ist?«, fragte er.
    Arlen blickte von dem Symbol hoch, das er gerade in einen steinernen Pfosten meißelte, und zuckte die Achseln. »Jeder Graubart in Tibbets Bach könnte dir diese Dinger zeichnen«, entgegnete er.
    »Das mag ja sein«, erwiderte Cob, »aber was in Tibbets Bach nichts Außergewöhnliches ist, gilt in Miln als eine Art Schatztruhe. Es ist, als wäre man auf Gold gestoßen. Dieses Zeichen hier«, er deutete auf eine bestimmte Seite. »Kann es wirklich feurigen Speichel in eine kühle Brise verwandeln?«
    Arlen lachte. »Das war das Lieblingssiegel meiner Mutter. Sie wünschte sich, die Flammendämonen würden in heißen Sommernächten bis dicht vor die Fenster kommen, um das Haus mit ihrem Atem zu kühlen.«
    »Erstaunlich!« Immer wieder schüttelte der Meister den Kopf. »Ich möchte, dass du von diesem Buch ein paar Kopien anfertigst, Arlen. Das wird dich zu einem reichen Mann machen.«
    »Wieso?«, wollte Arlen wissen.
    »Die Leute würden ein Vermögen ausgeben, nur um ein Exemplar dieses Werks zu ergattern. Vielleicht sollten wir es gar nicht verkaufen. Wenn wir dieses Wissen für uns behalten, sind wir bald die gefragtesten Bannzeichner in der ganzen Stadt.«
    Arlen runzelte die Stirn. »Es wäre nicht recht, die Leute nicht aufzuklären. So etwas hält man nicht geheim. Mein Dad sagte immer, die Siegel sind für alle da.«

    »Jeder Bannzeichner hat seine Geheimnisse, Arlen«, behauptete Cob. »Davon leben wir schließlich. Wie sollten wir etwas verdienen, wenn jedermann unsere Arbeit verrichten könnte?«
    »Wir verdienen unseren Lebensunterhalt, indem wir Siegelpfähle schnitzen und Türrahmen bemalen«, widersprach Arlen. »Und nicht dadurch, dass wir bestimmte Dinge verschweigen, die vielen Menschen das Leben retten könnten. Sollen wir etwa denen, die zum Bezahlen zu arm sind, unsere Hilfe

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