Das Lied der Dunkelheit
rasiermesserscharfen Zähne in ihre Schulter schlug und dabei Rojers
rechte Hand durchbiss. Vor Schmerzen fing der Junge an zu brüllen.
»Rojer!«, kreischte seine Mutter und taumelte auf den Spülstein zu, ehe die Beine unter ihr wegknickten und sie auf die Knie sank. Ihre Qualen und ihre Verzweiflung hinausschreiend, griff sie hinter sich und erwischte ein Horn des Horclings, das sie fest umklammerte.
»Meinen … Sohn … kriegst … du … nicht«, stöhnte sie, warf sich nach vorn und riss mit all ihrer Kraft an dem Horn. Der Dämon wurde von ihrer Schulter gezerrt, doch als Kally ihn in den Spülstein schleuderte, riss er ganze Streifen von Fleisch aus ihrer Schulter.
Das zum Einweichen abgestellte Geschirr zerbarst, als der Horcling darauf geschmettert wurde. Der Flammendämon stieß gurgelnde Laute aus und schlug wild um sich, während Dampfschwaden durch den Raum zogen, weil das Wasser sofort zu sieden begann. Kally stieß verzweifelte Schreie aus, als ihre Arme verbrüht wurden, doch sie drückte die Kreatur so lange unter Wasser, bis sie aufhörte zu zappeln.
»Mam!«, heulte Rojer. Sie warf sich herum und sah, wie zwei weitere Flammendämonen in den Raum tänzelten. Geistesgegenwärtig schnappte sie sich Rojer, rannte zur Falltür und riss mit einer Hand die schwere Klappe auf. Von unten starrte Arrick sie mit vor Schreck geweiteten Augen an.
Kally fiel hin, als ein Flammendämon sich auf ihr Bein stürzte und sich in ihren Oberschenkel verbiss. »Nimm ihn zu dir! Bitte!«, flehte sie und stieß den Jungen hinunter in Arricks Arme.
»Ich hab dich lieb!«, rief sie Rojer zu, kurz bevor sie die Falltür zuknallte und die beiden in Dunkelheit hüllte.
So nahe am Grenzfluss baute man in Flussbrücke die Häuser auf wuchtige, mit Siegeln versehene Blöcke, um sich vor Überflutungen zu schützen. Sie verharrten in der Finsternis, und solange die Fundamente hielten, waren sie vor den Horclingen sicher, doch überall verpestete Qualm die Luft.
»Wenn wir nicht von den Dämonen getötet werden, bringt der Rauch uns um«, murmelte Arrick. Er wollte sich von der Klappe zurückziehen, doch Rojer klammerte sich an sein Bein.
»Loslassen, Junge«, befahl Arrick und strampelte mit dem Bein, um Rojer abzuschütteln.
»Lass mich nicht allein!«, jaulte Rojer und fing haltlos an zu weinen.
Arrick runzelte die Stirn. Er blickte in die Runde, betrachtete den Qualm und spuckte aus.
»Halt dich fest, Junge«, meinte er dann und nahm Rojer Huckepack. Er lupfte die Ränder seines Capes, um den Buben in eine Art Schlinge zu setzen, und verknotete die Zipfel um seine Taille. Nachdem er Gerals Schild aufgehoben hatte, suchte er sich einen Weg durch die Fundamente; tief gebückt stahl er sich hinaus in die Nacht.
»Grundgütiger Schöpfer«, wisperte er, als er sah, dass die gesamte Ansiedlung in Flammen stand. Dämonen tanzten durch die Nacht und schleiften schreiende Menschen hinter sich her, um sie in einem Festschmaus zu verspeisen.
»Anscheinend waren deine Eltern nicht die Einzigen, die Piter vernachlässigt hat«, schnaubte Arrick. »Hoffentlich schleppen sie diesen Dreckskerl hinunter in den Horc.«
Sich hinter den Schild duckend, schlich Arrick um den Gasthof herum und nutzte den dichten Qualm und das herrschende Durcheinander aus, bis sie in den Haupthof gelangten. Dort standen, geschützt in Gerals tragbarem Bannzirkel, die beiden Pferde; eine Insel der Geborgenheit inmitten des Horrors.
Ein Flammendämon erspähte sie, als Arrick zu einem Endspurt auf den geschützten Raum ansetzte, aber Gerals Schild reagierte auf seinen feurigen Speichel mit einem magischen Blitz. Als sie sich endlich in der Sicherheit des Zirkels befanden, setzte Arrick Rojer ab und fiel schwer atmend auf die Knie. Nachdem er sich halbwegs erholt hatte, fing er an, wie ein Wilder die Satteltaschen zu durchwühlen.
»Er muss hier irgendwo sein«, nuschelte er. »Ich weiß genau, dass ich ihn … Ah!« Er kramte einen Weinschlauch hervor, riss den Stöpsel ab und trank in gierigen Schlucken.
Rojer wimmerte und presste seine blutende rechte Hand an den Körper.
»Was hast du?«, fragte Arrick. »Bist du verletzt, Junge?« Er ging zu Rojer, um ihn zu untersuchen, und als er dessen Hand sah, schnappte er entsetzt nach Luft. Der Mittelfinger und der Zeigefinger waren glatt abgebissen; die restlichen Finger umklammerten immer noch eine rote Haarlocke, die von seiner Mutter stammte.
»Nein!«, schrie Rojer, als Arrick ihm die Locke
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