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Das Lied der Klagefrau

Das Lied der Klagefrau

Titel: Das Lied der Klagefrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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äh, es ist so, dass der tote Pommeraner von Anfang an etwas gegen mich hatte.«
    »Ihr meint, seit Eurer eines Studenten unwürdigen Vorstellung am Albaner Tor?«
    Abraham schwieg.
    Runde wiederholte seine Frage.
    »Ich … ich musste Geld verdienen, um mein Studium weiter finanzieren zu können. Ich sah keine andere Möglichkeit. Es tut mir leid, ich hoffte, die Führung der Universität würde es nicht erfahren.«
    »Die Führung der Georgia Augusta weiß mehr, als Ihr denkt – viel mehr. Und das liegt daran, dass Ihr nicht nur Freunde habt. Die Fürsprache Eurer Freunde jedoch und Eure zweifellos ausgezeichneten Leistungen während des Studiums haben dafür gesorgt, dass Ihr die Nachteile, die Ihr, nun, sagen wir, von Hause aus mitbringt, immer wieder ausgleichen konntet. Doch das nur nebenbei. Warum also hatte von Zwickow von Anfang an etwas gegen Euch?«
    »Ich war ihm ein Dorn im Auge.«
    »Warum?«
    Abraham merkte, dass er um die Antwort nicht herumkam. Er blickte Runde direkt an. »Ihn störten mein Alter und das fehlende ›von‹ in meinem Namen.«
    »Aha, soso.« Runde räusperte sich.
    Abraham wagte einen Vorstoß. »Darf ich Eurer Reaktion entnehmen, dass Ihr das Verhalten von Zwickows als ungerecht empfindet?«
    Runde machte sich an den Papieren auf seinem Schreibtisch zu schaffen. »Die Fragen stelle ich hier.«
    »Jawohl, Euer Exzellenz.«
    »Ihr wolltet also draußen vor dem Fechtboden mit von Zwickow etwas klären. Wolltet Ihr ihn verprügeln?«
    »Am liebsten hätte ich es.«
    »Ihr seid von großer Offenheit. Passt auf, dass Ihr Euch nicht um Kopf und Kragen redet.«
    »Es war so, dass ich kaum zu Wort kam. Von Zwickow beschimpfte mich aufs übelste und ging sofort mit den Fäusten auf mich los.«
    »Das schildern die Zeugen ganz anders.«
    »Diese sogenannten Zeugen waren während des Handgemenges überhaupt nicht dabei. Nachdem von Zwickow mir nach draußen auf den Treppenabsatz gefolgt war, schloss ich die Tür vor ihnen.«
    »Nehmen wir an, es war so. Warum tatet Ihr das? Wolltet Ihr keine Zeugen haben bei dem, was Ihr vorhattet?«
    »Ich … ich …« Abraham suchte nach Worten. »Ich wollte keine Schlägerei provozieren.«
    »Stattdessen habt Ihr von Zwickow getötet.«
    »Nein, Euer Exzellenz, er hat sich selbst gerichtet.«
    Runde zog die Brauen hoch. »Aha, er hat sich selbst gerichtet! Wollt Ihr damit sagen, der Mann wäre freiwillig von oben gegen die Geländerspitze geprungen?«
    »Nein, natürlich nicht. Es war vielmehr so, dass er ohne Vorwarnung auf mich losgegangen ist, mich unflätig beschimpfte und nach mir schlug und trat. Ihr seht es an meiner verletzten Lippe.«
    »Meine Unterlagen sagen das Gegenteil aus.«
    »Die Zeugen lügen. Sie haben sich abgesprochen, um ihren Kameraden zu rächen.«
    »Das könnte sein. Aber es steht Aussage gegen Aussage. Die Erklärungen dreier Jünglinge aus bester Familie gegen die Beteuerungen eines, verzeiht, wenn ich es so deutlich ausspreche, ehemaligen Puppenspielers.«
    »Ich sage die Wahrheit.«
    »Die Ihr aber nicht beweisen könnt.« Runde schnitt eine Grimasse. »Wie es aussieht, habt Ihr schlechte Karten. Ganz schlechte Karten.«
    In dieser Situation, in der alles schon verloren schien, kam Abraham ein Geistesblitz, der seine Lage auf einmal in ein ganz anderes Licht tauchte. »Vielleicht kann ich meine Unschuld beweisen.«
    »Wie wollt Ihr das denn zuwege bringen?«
    Statt einer Antwort begann Abraham, die Köpfe an seinem Gehrock zu öffnen.
    »Was macht Ihr da?«
    Abraham ließ seinen Rock zu Boden gleiten und zog das Leinenhemd über den Kopf.
    »Seid Ihr von allen guten Geistern verlassen?«
    »Nein, Euer Exzellenz, ich versuche nur, meine Unschuld zu beweisen. Seht meine Brust an. Ihr werdet darauf außer der Behaarung ein ausgeprägtes Hämatom erkennen. Es stammt von einem Fußtritt des von Zwickow. Eine ähnliche Einblutung, wenn auch deutlich kleiner, seht Ihr an meiner Schläfe.« Abraham beugte sich vor, damit Runde die Stelle begutachten konnte. »Ein Faustschlag des von Zwickow.«
    Runde setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Zieht Euch wieder an.«
    Abraham gehorchte. Während er die Kleider überstreifte, beobachtete er den Prorektor, doch nichts war in dessen Gesicht zu lesen. »Ihr könnt ebenfalls Platz nehmen, Abraham.«
    »Danke, Euer Exzellenz.«
    »Die Tatsache, dass Ihr Kampfspuren am Körper tragt, sagt zunächst noch gar nichts. Ihr könntet von Zwickow noch immer zu Tode gebracht haben, indem Ihr ihn

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