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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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führte. Madame Clarisse’ Hotel war wohl eine Art Auffangstation für verlorene Mädchen.
    »Ein Kleid brauchst du auch noch. Aber meine sind dir zu groß. Warte mal, ich frage Annie.«
    Charlene verschwand kurz und kam mit einem himmelblauen, mit tausend Spitzen und Volants besetzten, weit ausgeschnittenen Kleid zurück.
    »Hier. Du kannst ja ein Mieder drunterziehen, wenn dir der Ausschnitt zu unschicklich ist. Annie hatte allerdings gerade keins, heute muss es also so gehen. Aber wir finden bestimmt noch ein Schultertuch für dich. Die Kerle sollen dir ja nichts abgucken!«
    Elaine musterte das Kleid. Es machte ihr beinahe Angst, denn es war viel auffälliger als alles, was sie bisher getragen hatte. Nervös schaute sie in den Spiegel – und war begeistert! Der azurblaue Stoff harmonierte mit ihren Augen, die schwarze Spitze am Ausschnitt betonte ihren blassen Teint, und ihr leuchtend rotes Haar setzte Akzente. Vielleicht würden die Matronen von Queenstown ihre Aufmachung verrucht finden – und sie durfte gar nicht daran denken, was Thomas wohl dazu gesagt hätte. Aber Elaine fand sich schön.
    Madame Clarisse pfiff ebenfalls durch die Zähne, als sie das Mädchen sah. »Süße, wenn ich dir das Doppelte biete, machst du nicht wenigstens zwei oder drei pro Nacht? Die Kerle würden sich die Finger nach dir lecken!«
    Elaine sah besorgt aus, doch Madame Clarisse’ Ton war scherzhaft. Sie lieh Elaine sogar ein schwarzes Umschlagtuch.
    »Morgen lassen wir ein Kleid für dich machen. Der Schneider wird sich freuen! Aber das gibt’s nicht umsonst, Süße, das zieh ich dir vom Lohn ab!«
    Auch für das kleine Zimmer verlangte Madame Clarisse Miete, aber das fand Elaine nur fair. Sie hatte sich anfangs Sorgen gemacht, ob auch sie einen der Räume im ersten Stock würde bewohnen müssen, in denen die Männer die Mädchen »besuchten«. Doch Madame Clarisse wies ihr ein winziges Dienstbotenzimmer bei den Ställen an. Hier hätte eigentlich ein Stallknecht wohnen sollen, doch einen solchen hatte Clarisse nicht. Ihre Kunden stellten höchstens stundenweise Pferde ein und machten selbst hinter ihnen sauber. Dabei war der Stall durchaus geräumig, und hinten im Hof hätte es sogar einen Auslauf gegeben. Elaine fragte schüchtern nach, ob sie Banshee hier unterstellen durfe.
    »Ein Pferd haben wir also auch«, meinte Madame Clarisse mit gerunzelter Stirn. »Mädchen, Mädchen, wenn du nicht so ein ehrliches Gesicht hättest ... du schwörst mir, dass du den Gaul nicht gestohlen hast?«
    Elaine nickte. »Banshee war ein Geschenk.«
    Madame Clarisse zog die Augenbrauen hoch. »Zur Verlobung oder zur Hochzeit? Ich sag da nichts zu, Süße, aber ich wäre gern vorgewarnt, wenn hier demnächst ein wütender Gatte auftaucht.«
    »Ganz sicher nicht«, erklärte Elaine. »Bestimmt nicht.«
    Madame Clarisse bemerkte den seltsamen Unterton zwischen Schuldbewusstsein und Befriedigung, konnte ihn aber nicht einordnen. Immerhin schien das Mädchen nicht zu lügen.
    »Na gut. Dann hol das Pferd schon her. Im Mietstall nehmen sie dir sonst deinen halben Wochenlohn ab. Aber sauber machen musst du selbst. Und du musst sehen, wo du das Futter herkriegst.«
     
    Elaine beschloss, Banshee am kommenden Morgen zu holen. Die eine Nacht im Mietstall würde sie sich schon leisten können. Jetzt wusch sie erst mal ihre Kleider und hing sie in ihrem winzigen Zimmer zum Trocknen auf. Draußen regnete es nach wie vor, und es war kühl und ungemütlich. Die Stadt gefiel Elaine immer noch nicht – kein Vergleich zu dem meist sonnigen Queenstown, in dem Regenfälle selten lange anhielten und die Winter zwar deutlich kälter waren als an der Westküste, dafür aber klar und schneereich statt grau und nass.
    Der Pub war trotz des Wetters gut besucht – auch wenn die Männer nass wie die Katzen hereinkamen und Madame Clarisse kaum wusste, wohin mit all den durchweichten Jacken und Mänteln. Elaine dachte an Gwyns zweckmäßigen Wachsmantel – die Bergleute hier hätten so etwas brauchen können, aber anscheinend konnte sich das kaum einer leisten. Dabei hatten sie einen ziemlich weiten Weg von den Minen bis in die Stadt. Sie mussten sich sehr nach ein bisschen Wärme und Unterhaltung sehnen, dass sie diese Beschwernisse nach der Schicht noch auf sich nahmen.
    »Du solltest mal sehen, wie sie da draußen hausen!«, meinte Charlene, als Elaine diesen Gedanken äußerte. »Die Minenbesitzer stellen ihnen Verschläge auf dem Bergwerksgelände zur

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