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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Verfügung, aber die sind kaum mehr als ein Dach über dem Kopf. Nicht mal ordentliche Waschgelegenheiten haben sie, die meisten gerade mal einen Eisenkanister. Und das Wasser berechnen diese Schweine ihnen noch extra. Wir haben dann hier den ganzen Kohlenstaub auf den Laken.«
    Tatsächlich wirkten die meisten Besucher arg ungewaschen; auf ihren Gesichtern schien fast durchweg eine graue Schmierschicht zu liegen. Kohlenstaub war fettig. Mit kaltem Wasser ließ er sich nicht ganz von der Haut entfernen, selbst wenn die Männer noch so schrubbten.
    Elaine taten sie leid, doch zu ihrer Verwunderung waren sie trotz ihres harten Lebens fröhlich. Sie hörte die unterschiedlichsten Dialekte, doch die große Mehrheit der Männer kam aus englischen und walisischen Bergwerksregionen. Fast alle waren wohl auch Einwanderer – Neuseeländer der zweiten oder dritten Generation zog es nicht unter Tage.
    Die Männer applaudierten begeistert, als Elaine ein altes walisisches Lied spielte, das Grandma Gwyn ihr beigebracht hatte. Sofort sangen ein paar von ihnen mit, andere holten sich Mädchen zum Tanzen, und bald stand der erste Whisky vor Elaine auf dem Klavier.
    »Ich trink doch keinen Whisky«, wandte sie ein, als Madame Clarisse sie darauf hinwies und auch gleich auf den Mann zeigte, der den Drink spendiert hatte. Ein vierschrötiger Engländer aus der Gegend um Liverpool.
    »Probier doch erst mal!« Madame Clarisse zwinkerte ihr zu, und als Elaine tatsächlich einen zögernden Schluck nahm, schmeckte sie kalten Tee. »Keins der Mädchen hier trinkt, die wären ja alle um zehn stockbesoffen. Aber von jedem Glas, das die Kerle dir kaufen, geht die Hälfte an dich!«
    Das schien Elaine ein gutes Geschäft zu sein. Sie kippte ihren »Whisky« und lächelte dem Spender zu. Der kam daraufhin gleich zum Piano und wollte eine Verabredung für später. Er nahm es aber gelassen hin, als Elaine ablehnte. Kurz darauf verschwand er mit Charlene.
    »Du belebst das Geschäft!«, sagte Madame Clarisse anerkennend, als sie Elaine den dritten Drink brachte. »Dafür, dass Dienstag ist, machen wir guten Umsatz. Donnerstag und Freitag ist Ebbe, da haben die Burschen kein Geld mehr. Aber Samstag ist Zahltag, da geht’s richtig hoch her, und Sonntag sind die Minen zu. Da trinkt sich hier jeder die Welt ein bisschen schöner.«
    Elaine begann die Arbeit im Laufe des Abends beinahe Spaß zu machen. Sie hatte noch nie ein so dankbares Publikum gehabt wie diese Bergleute, und tatsächlich trat ihr niemand zu nahe. Stattdessen schien man sie mit einigem Respekt zu betrachten; die Männer nannten sie nie einfach beim Vornamen wie die anderen Mädchen, sondern sagten brav »Miss Lainie«, wenn sie um ein bestimmtes Lied baten oder sie fragten, ob sie ihr noch einen Drink bestellen durften.
    Schließlich schloss sie hochzufrieden das Piano, während Charlene und die anderen die letzten Männer verabschiedeten. Es war lange vor der Sperrstunde; die ersten Arbeiter fuhren um vier Uhr morgens wieder ein, und die Arbeit unter Tage war nicht ungefährlich. Da mochte keiner einen Kater riskieren.
    »Aber warte mal aufs Wochenende. Da fließt der Schnaps hier in Strömen!«, erklärte Charlene.
     
    Am nächsten Tag holte Elaine Banshee. Der Stallbesitzer machte ihr Komplimente zu ihrem Klavierspiel. Er hatte kurz im Pub vorbeigeschaut und sie gehört. Nun wollte er nicht einmal eine Bezahlung für Banshees Übernachtung in seinem Stall.
    »Nein, lassen Sie mal. Aber dafür hab ich drei Lieder gut! Und Sie dürfen mich nicht auslachen, wenn ich bei 
Wild Mountain Thyme
 wieder zu heulen anfange.«
    Auch der Schneider hatte schon von Elaines neuem Job gehört und maß ihr bereitwillig ein Kleid an.
    »Nicht zu offenherzig? Aber dann gibt’s weniger Trinkgeld, Miss, das sollte Ihnen klar sein!«, neckte er sie. »Und ein paar Spitzen müssen schon dran. Sie wollen doch nicht aussehen wie eine Betschwester.«
    Letzteres hätte Elaine sich beinahe gewünscht, als sie dann auf der Main Street Mrs. Tanner begegnete. Die Matrone musterte sie von Kopf bis Fuß und würdigte sie keines Grußes, als sie an ihr vorbeiging. Elaine konnte es in gewisser Weise verstehen; sie fühlte sich selbst unwohl in Annies Sachen. Tagsüber auf der Straße wirkte das Kleid viel aufreizender als abends im Pub, wo alle anderen Mädchen ähnlich gekleidet waren. Doch ihre eigenen Sachen waren noch nicht getrocknet; es war klamm in ihrem Zimmer, und draußen regnete es schon wieder. Auf

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