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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Die Bemerkung des Bankers ging William im Kopf herum. Zunächst hatte er das als Phrasendrescherei eines risikoscheuen Bürohengstes abgetan, aber jetzt erschien ihm das Leben eines Goldsuchers gar nicht mehr so abenteuerlich. Natürlich war man an der frischen Luft – und die Landschaft hier um Queenstown war fantastisch. Nachdem William seine erste Missstimmung überwunden hatte, kam er nicht umhin, das festzustellen. Allein die majestätischen Berge rund um den Lake Wakatipu, die das Land zu umarmen schienen, und das Farbenspiel, das die üppige Vegetation vor allem jetzt im Herbst in einem Kaleidoskop von Rot-, Lila-und Brauntönen aufgehen ließ. Die Pflanzen schienen teils exotisch wie der palmähnliche Cabbage Tree, teils seltsam verfremdet wie die violetten Lupinen, die der Gegend um Queenstown besonders um diese Jahreszeit ihre besondere Note gaben. Die Luft war klar wie Kristall, desgleichen die Bäche. Aber wenn William noch ein paar Tage mit Joey arbeiten sollte, würde er zweifellos bald anfangen, zumindest die Bäume und Wasserläufe zu hassen.
    Joey entpuppte sich im Laufe des Tages als wahrer Sklaventreiber. Mal war William ihm zu langsam, mal machte er zu oft Pausen, und dann rief er ihn selbst von seiner Holzfällertätigkeit weg, weil er Hilfe beim Sägen brauchte. Und dazu fluchte er auf die unflätigste Weise, wenn etwas schiefging – was leider vor allem dann passierte, wenn William zur Säge griff.
    »Aber das lernst du noch, Junge!«, meinte der Alte letztlich ermunternd, sobald er sich wieder beruhigt hatte. »Zu Hause haste wohl nicht so viel mit den Händen geschafft.«
    William wollte ihm zunächst wütend widersprechen, aber dann überlegte er, dass der Alte damit nicht ganz Unrecht hatte. Gut, er hatte auf den Feldern gearbeitet. Zusammen mit den Pächtern, gerade in den letzten Jahren, nachdem ihm die schreiende Ungerechtigkeit aufgegangen war, die auf den Ländereien seines Vaters herrschte. Frederic Martyn verlangte viel und gab wenig – der Pachtzins war für die Bauern kaum aufzutreiben, und nicht nur, dass ihnen in guten Jahren wenig zum Leben blieb, sie hatten auch keinerlei Hilfe zu erwarten, wenn die Ernte schlecht ausfiel. Bis jetzt hatten die Familien sich kaum von der großen Hungersnot in den Sechzigerjahren erholt. Praktisch jede hatte Opfer zu beklagen. Dazu fehlte hier fast eine ganze Generation – kaum ein Bauernkind in Williams’ Alter hatte die Jahre der Kartoffelfäule überlebt. Heute lag die Arbeit auf den Feldern also hauptsächlich in den Händen der ganz Jungen und ganz Alten; praktisch jeder war überfordert, und eine Verbesserung schien nicht in Sicht.
    Frederic Martyn berührte das in keiner Weise – und auch Williams Mutter, obwohl Irin, machte keine Anstalten, sich für die Leute einzusetzen. William hatte dann erst in stummem Protest begonnen, den Pächtern bei der Landarbeit zu helfen. Später engagierte er sich in der Irischen Landliga, die ihnen zu fairen Zinsen verhelfen wollte.
    Frederic Martyn schien die soziale Attitüde seines jüngeren Sohnes zunächst eher unterhaltsam als besorgniserregend zu finden. William würde auf seinen Ländereien ohnehin nie viel zu sagen haben, und sein älterer Sohn, Frederic junior, zeigte keine menschenfreundlichen Anwandlungen. Doch als die Landliga erste Erfolge verbuchen konnte, wurden seine Spöttereien und Frotzeleien über Williams Engagement immer bösartiger und trieben den jungen Mann noch tiefer in die Opposition.
    Als er schließlich einen Aufstand unter den Pächtern unterstützte – wenn nicht gar anzettelte –, kannte der Alte kein Pardon. William wurde nach Dublin geschickt. Sollte er ein bisschen studieren, wenn es sein musste Jura, um seinen geliebten Pächtern später mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Was das anging, war Martyn großzügig. Hauptsache, der Junge wiegelte ihm nicht mehr die Leute auf!
    Zunächst hatte William sich begeistert in die Arbeit gestürzt, aber schon bald erschien es ihm zu langwierig, sich mit den Feinheiten des englischen Rechts auseinanderzusetzen, wo doch ohnehin bald eine Irische Verfassung zu entwerfen war. Aufgeregt verfolgte er die Debatten um die Home Rule Bill, die den Iren erheblich mehr Mitspracherechte bieten sollte, wenn es um die Belange ihrer Insel ging. Und als das Oberhaus sie dann wieder ablehnte ...
    Aber darüber wollte William nicht weiter nachgrübeln. Die Sache war zu peinlich gewesen und die Folgen fatal. Aber immerhin hätte es für ihn

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