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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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bediente sich so seltsamer Worte.
    »Whaikorero.
 Das ist die Kunst der schönen Rede. Und 
tohunga
 heißt ›Meister‹ oder ›Experte‹. Mein Vater ist einer, sagen die Maoris. Sie lieben seine Urteilsbegründungen ...« Elaine öffnete William die Tür zur Pension. Der weigerte sich jedoch, vor ihr hindurchzugehen und hielt die Pforte geschickt mit dem Fuß für Elaine offen. Das Mädchen strahlte.
    William erinnerte sich, dass ihr Vater hier als Friedensrichter tätig war und ihr Bruder Stephen Jura studierte. Vielleicht sollte er seine eigenen Bemühungen in dieser Richtung auch einmal erwähnen.
    »Nun, so weit bin ich mit meinen juristischen Studien nicht gediehen«, bemerkte er wie nebenbei. »Und Sie sprechen Maori, Miss Elaine?«
    Elaine zuckte die Achseln. Doch bei der Anspielung auf sein Jurastudium hatten ihre Augen wie erwartet aufgeleuchtet.
    »Nicht so gut, wie ich sollte. Wir haben immer ziemlich weit weg vom nächsten Stamm gewohnt. Aber meine Mutter und mein Vater können es gut; die sind in den Plains mit Maori-Kindern zusammen zur Schule gegangen. Ich sehe aber eigentlich nur Maori, wenn es mal Streitigkeiten zwischen ihnen und den 
pakeha
 hier gibt und mein Vater schlichten muss. Und das kommt zum Glück selten vor. Sie haben wirklich Jura studiert?«
    William berichtete sehr vage von seinen drei Semestern in Dublin. Aber jetzt mussten die beiden sich sowieso trennen. Beim Betreten der Pension brachte der Luftzug einen melodischen Windfang zum Klingen, woraufhin umgehend sowohl Mary als auch Laurie erschienen und fröhlich auf William und Elaine einzwitscherten. Ein Zwilling nahm William die Wäsche ab und wusste sich vor Begeisterung über seine Mithilfe kaum zu halten; der andere erklärte ihm, dass sein Bad bereitet sei. Er müsse sich bloß beeilen, weil das Essen bald auf dem Tisch stünde; die anderen Kostgänger seien alle schon da, und bestimmt wollte keiner warten.
    William verabschiedete sich höflich von Elaine, der die Enttäuschung deutlich anzumerken war. Er musste hier unbedingt einen weiteren Vorstoß in Angriff nehmen.
    »Was tut man denn in Queenstown, wenn man eine junge Dame zu einem ehrbaren Vergnügen einladen möchte?«, erkundigte er sich kurze Zeit später vor dem Essen beim jüngeren der beiden Banker.
    Am liebsten wäre ihm gewesen, Miss Helen hätte nicht mitgehört, aber die alte Dame hatte wohl noch scharfe Ohren. Jedenfalls schien sie ihre Aufmerksamkeit unauffällig, aber doch erkennbar auf die Unterhaltung der beiden Männer zu lenken.
    »Kommt darauf an, wie ehrbar«, seufzte der Banker. »Bezogen auf die Dame. Es gibt Ladys, denen praktisch kein Vergnügen tugendhaft genug ist ...« Der Mann wusste, wovon er redete. Er versuchte seit Wochen, seiner Hausgenossin, der jungen Lehrerin, den Hof zu machen. »Die kann man dann höchstens am Sonntag zur Kirche begleiten ... was wiederum nicht unbedingt ein Vergnügen ist. Aber normale junge Damen kann man wohl zum Gemeindepicknick einladen, wenn gerade eins stattfindet. Oder vielleicht sogar zum Squaredance, wenn der Hausfrauenverein ein Tanzvergnügen anregt. Bei Daphne gibt es das natürlich jeden Samstag, aber das ist wiederum nicht ehrbar ...«
    »Lassen Sie sich doch einfach von der kleinen Miss O’Keefe die Stadt zeigen«, bemerkte der ältere Banker. »Das macht sie bestimmt gern, sie ist doch hier aufgewachsen. Und ein Spaziergang ist auf jeden Fall eine unschuldige Angelegenheit.«
    »Wenn er nicht in die Wälder rundum führt«, warf Miss Helen trocken ein. »Und wenn es sich bei der fraglichen jungen Dame tatsächlich um meine Enkelin handelt, also eine ganz besondere junge Dame, sollten Sie vorher vielleicht die Genehmigung ihres Vaters einholen ...«
     
    »Was weißt du Genaues über diesen jungen Mann?«
    Es war ein anderes Dinner, aber das Thema war das gleiche. In diesem Fall examinierte Ruben O’Keefe seine Tochter. Denn obwohl William bislang noch nicht gewagt hatte, eine Einladung auszusprechen, hatte Elaine ihn doch gleich am nächsten Tag wieder getroffen. Erneut »ganz zufällig«, diesmal vor dem Eingang zum Bestattungsinstitut. Ein schlecht gewählter Treffpunkt, denn Elaine fiel bei aller Fantasie nichts ein, was sie dort dringend hätte erledigen müssen. Außerdem war Frank Baker, der Totengräber, ein alter Freund ihres Vaters, und seine Frau war eine schwatzhafte Dohle. Von Elaine O’Keefes Beziehung zu William Martyn – »einem Kerl aus dem Goldgräberlager«, wie Mrs. Baker

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