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Das Lied der Maori

Das Lied der Maori

Titel: Das Lied der Maori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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allerdings bei ihrer Ansicht, man sollte zumindest versuchen, Kura für Gloria zu interessieren. Jack löste das Problem dann sicherheitshalber auf seine Art: Am Morgen der Fahrt nach Christchurch war er mit dem kleinen Mädchen verschwunden. Neuerdings setzte er sie vor sich aufs Pferd, eine Suche war also zwecklos. Die beiden konnten meilenweit weg sein.
    »Ich lege ihn übers Knie, wenn er wiederkommt«, versprach James halbherzig, als die Frauen schließlich abfuhren. Dabei zwinkerte er Gwyneira zu. Wahrscheinlich würde er seinen Sohn eher beglückwünschen.
     
    Marama war bislang selten in Christchurch gewesen und vergaß die kleine Enttäuschung schnell über die Reise. Die Frauen sprachen über das Wetter, die Schafe und Glorias Entwicklung – viel mehr hatten sie inzwischen nicht mehr gemeinsam. Marama ging ganz in ihrem Stamm auf, unterrichtete Lesen und Schreiben, vor allem aber Tanz und Musik. Sie war anerkannte 
tohunga
, und sie liebte ihren Mann. Die neuesten Bücher aus England, neue Erfindungen und Politik interessierten sie nicht mehr so wie früher, als sie mit Kura auf Kiward Station gelebt hatte.
    Dennoch verlief der Ausflug harmonisch. Sie trafen früh in Christchurch ein und hatten Zeit genug, sich vor dem Konzert frisch zu machen. Natürlich hätten sie sich auch gern mit Kura getroffen, aber das kam nicht zustande. Angeblich brauchten die Sänger ihre Konzentration vor dem Auftritt. Stattdessen traf Gwyn in der Lobby Elizabeth Greenwood und ihre jüngste Tochter Charlotte. Gwyn musste lächeln. Das zartgliederige, hellblonde Mädchen glich fast aufs Haar der kleinen Elizabeth, die sie damals auf der 
Dublin
 zum ersten Mal gesehen hatte.
    »Ich bin ja so gespannt auf Ihre Kura, Miss Gwyn!«, meinte Elizabeth fröhlich, als die Frauen sich zu einer Tasse Tee gesetzt hatten. »Alle Leute schwärmen von ihr, sie soll unglaublich schön singen.«
    Gwyneira nickte, aber sie fühlte sich unbehaglich. »Die Leute haben immer von ihr geschwärmt«, meinte sie zurückhaltend.
    »Aber George meint, sie hätte sich weiterentwickelt. Das hat zumindest der Impresario gesagt, George selbst versteht ja nichts davon. Aber er meint, der Mann nimmt sie wohl mit nach England. Was sagen Sie denn dazu, Miss Gwyn? Sind Sie nicht noch ihr Vormund?«
    Gwyneira seufzte. In Christchurch zerriss man sich also schon die Mäuler, auch über Kura und den »Impresario«. Nun, William hatte das ja gleich vorausgesehen. Aber jetzt musste sie erst einmal diplomatisch geschickt antworten.
    »Streng genommen bin ich das nicht mehr, sie ist schließlich verheiratet. Also müsstest du eigentlich fragen, was William davon hält. Das wüsste ich im Übrigen auch gern. Ich war fest davon überzeugt, dass er heute herkommt, aber ein Zimmer hat er nicht gebucht ...«
    »Vielleicht kommt er nur zum Konzert. Aber ganz im Ernst, Miss Gwyn, ich frage Sie nicht aus, weil ich neugierig bin – nicht nur, jedenfalls!« Elizabeth lächelte verhalten, und Gwyn fühlte sich an ihren scheuen Ausdruck als Kind erinnert. »George sollte nur wissen, was Sie davon halten. Er hat schließlich die Schiffspassage für die anderen Sänger gebucht. Wenn Kura jetzt mitwill, kann er das arrangieren – oder mehr oder weniger künstlich Schwierigkeiten einbauen. Falls Sie also nicht möchten, dass sie fährt, ließe sich das vielleicht diplomatisch lösen. George könnte behaupten, es gäbe keine Kabine mehr auf dem Schiff, und sie müsste das nächste Schiff nehmen. Dann hätten Sie eine Atempause, um auf sie einzuwirken ...«
    Gwyneira war beinahe gerührt über die Sorge der Greenwoods. George war stets ein guter Freund gewesen und hatte ein Händchen dafür, Eklats zu verhindern. Allerdings wusste sie nicht so recht, wie sie in dieser Angelegenheit entscheiden sollte.
    »Elizabeth, lass mich erst mit ihr reden. Wir werden sie ja nach dem Konzert treffen, und vor allem werden wir sie erst einmal singen hören. Nicht, dass ich viel mehr davon verstünde als George, aber ich denke, auch ein Laie sollte mitbekommen, ob sie mit den anderen Sängern mithalten kann oder nicht.«
    Elizabeth verstand die Anspielung: In Wahrheit spielte Gwyneira auf die Frage an, ob Kura wirklich als Künstlerin akzeptiert wurde oder nur als Mätresse des Impresarios und ob Barrister wirklich an ihre Karriere glaubte oder ob er nur nicht von ihrem Körper lassen konnte.
    »Sagen Sie uns einfach morgen früh Bescheid«, meinte sie freundlich.
     

5
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